HEILUNG - Ofnir
Genre: Neofolk Label: Season of Mist Veröffentlichung: 20.04.2018 Bewertung: Klasse (8/10) Facebook
Noch im Wurzelwerk des Neofolks versteckt gedeihen HEILUNG mehr und mehr zu einem stattlichen Baum heran. Zunächst vor allem durch Mundpropaganda im Untergrund bekannt geworden, ist die Gruppe aus Dänemark so langsam kein Geheimtipp mehr. Sie werden immer öfter mit Kollegen wie Wardruna verglichen, doch lassen sich bei HEILUNG auch deutliche Unterschiede zu anderen, ähnlichen Künstlern feststellen.
Die Band arbeitet mit Textvorlagen, die auf Artefakten gefunden worden sind, wie z.B. Runensteine, Amulette und Speerschäfte, aber auch mit Gedichten mit historischem Inhalt. Ihr selbstproduziertes Debütalbum „Ofnir“ erschien zunächst über Bandcamp, doch aufgrund der wachsenden Popularität ist nun auch Season of Mist auf die Band aufmerksam geworden und bietet „Ofnir“ als Wiederveröffentlichung zusammen mit dem Live-Album „LIFA“ an.
Was vor allem beim Hören der Scheibe auffällt, dass es keine bloße Ansammlung von Liedern ist, sondern eigentlich schon einen Hörbuchcharakter hat. Die Band bietet sowohl Songs als auch gesprochene bzw. instrumentale Passagen an. Auch sind die Längen der einzelnen Tracks sehr unterschiedlich, von zwei bis zwöf Minuten ist alles dabei.
Mit „Alfadhirhaiti“ fängt „Ofnir“ so an, wie man es erwarten würde: Trommeln, Tiergeräusche, leicht meditative, auch teils kriegerischer Gesang. Also alles, was das Neofolk-Herz höher schlagen lässt. Wer sich in der nordischen Mythologie gut auskennt, wird auch schnell viele Begriffe daraus in den Vocals wiedererkennen. Die Band versteht es eine mystische Atmosphäre zu kreieren, die einen glauben lässt, dass man durch vormittelalterliche Wälder im Norden Europas streift. Man kann völlig darin versinken und sich diesem Tagtraum hingeben. Zudem gibt die Band an, nicht nur schnöde Instrumente zu spielen, das kann ja schließlich jeder. Alles von fließendem Wasser über Knochen bis hin zu metallischen Gegenständen wie Schwertern wird verwendet, um einen einzigartigen Klang zu erzeugen, welcher vor allem in „Krigsgaldr“ gut zur Geltung kommt. Gerade in diesen beiden Songs finden sich viele repetitive Elemente wieder, die etwas Medititatives haben.
Doch dann kommt ein Track wie „Schlammschlacht“ um die Ecke, in der ein Erzähler auf Deutsch ein Gedicht über die Varusschlacht sehr lebendig vorträgt. In „Futhorck“ wiederum klingt die Stimme teils verwunschen und mystisch, wie von einem Schamanen. Falls jemand schon immer Probleme damit hatte, sich das Futhark in Gänze und Reihenfolge zu merken, der sollte sich „In Maidjan“ anhören, denn dort wird es vertont und sehr einprägsam vorgetragen.
Alles in allem lässt sich vermerken, das HEILUNG mit „Ofnir“ ein spannendes Klangerlebnis bieten, welches ein wirklich hervorragendes Kopfkino liefert. Grundsätzlich kann man feststellen, dass der gesamte Klang des Albums sehr organisch und dadurch warm ist, was das Ganze doch fast schon authentisch macht. Nun gibt es aber auch durchaus kritische Stimmen, die meinen, dass die Truppe zu viele Parallelen zu Wardruna aufweise und das gleiche Konzept teils auch übertreibe und überzeichne. Auch das Konzept wirkt manchmal noch nicht richtig strukturiert, da die Band angibt, sich mit der Eisen- und Wikingerzeit auseinanderzusetzen, die Varusschlacht historisch gesehen aber z.B. aus dem Rahmen fällt. Es werden außerdem auch modern anmutende Sprechgesänge mit in die „vorzeitlichen“ Songstrukturen eingebaut, die vielleicht dem einen oder anderen unangenehm aufstoßen werden. Nun, über Geschmäcker lässt sich in diesem Fall natürlich nur schwer streiten. Da „Ofnir“ das Debütalbum ist, hat HEILUNG nun viel Raum zur Entfaltung und auch vielleicht Ordnung der eigenen Ideen, sodass die kommenden künstlerischen Werke eine eindeutigere Handschrift haben. Dennoch sticht HEILUNG bereits so hervor, dass es großes Interesse weckt, und das zurecht.