ELECTRIC BOYS - The Ghost Ward Diaries
ELECTRIC BOYS_ Cover 140x140Genre: Classic Rock / Groove / Psychedelic
Label: Mighty Music
Veröffentlichung: 23.11.2018
Bewertung: Klasse (8/10)

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Die schwedische Formation, schon 1988 mit musikalischen Wurzeln im 70’s Rock gegründet, ist nun nach vier Jahren wieder mit einer neuen Platte am Start. Tatsächlich liegt in der Bandbiographie auch eine 15-jährige Pause bis zum Jahr 2009 und es lassen sich bestimmt etliche Geschichten über das Schaffen der Musiker erzählen. Genau das werde ich aber nicht tun, ich stürze mich lieber direkt auf die Mucke. Und los:

Ein atmosphärisch düsteres Intro wird schnell von rockiger Energie weggepustet. Off-Beat und Riffing gehen einfach steil nach vorne, der Gesang wirkt betont lässig und es geht zügig über zum Refrain. Der Sauf-Hymnen-Song „Hangover In Hannover“ macht nicht nur Lust, sich mit einer handvoll verrückter Menschen hemmungslos dem Rock’n’Roll Lifestyle hinzugeben (aber in Braunschweig bitte!), sondern hängt auch die Messlatte für das Album recht hoch.

Allerdings macht Track Nummer 2, „There She Goes Again“, gleich einen Abstecher in eine ganz andere Richtung. Denn nach der rockigen Strophe wandelt sich das gesamte Klangbild und schluchzt jetzt Ballade statt Rock-Song. Unvermittelt geht es dann vom Refrain zurück in den rockigen Sound und das wechselnde Schema zieht sich weiter durch. Ich weiß nicht, ob ich das total scheiße oder raffiniert finden soll. Auch „You Spark My Heart“ spielt mit einem Wechsel zwischen soft und etwas härter: Hier kommt das Ganze aber doch passender rüber: weiche Gitarren und zarter Gesang in der Strophe, im Refrain dann volle Lautstärke, wobei aber immer noch der schmachtende Ductus erhalten bleibt.

Der Song „Love Is A Funny Feeling“ blubbert direkt mit einer psychedelischen Lead-Gitarre über den rougheren Riffs der Rhythmusgitarre los. Außerdem wird der Gesang hier im spielerischen Wechsel durch eine weibliche Vocal-Spur unterstützt, die teilweise eher lasziv gehaucht als gesungen wird. Rhythmisch kommt der Track durch die sich abwechselnden und ergänzenden Sound-Spuren und die Beats sehr funky da her, und bringt damit eine neue Note in die Platte ein. Ich überlege gerade, ob der Song tanzbar ist, aber da ich mir selbst in der Vorstellung zu tanzen, ein Bein breche, schiebe ich den Gedanken mal wieder weg.

Mit Titel Nummer 5, „Gone Gone Gone“, wird sich noch mal ausgiebig die Zeit genommen, zu schmachten, vielleicht sogar ein Tränchen zu verdrücken. Ein cooles Element sind dabei die super dezenten Keys im Orgel-Sound. In der Bridge verändert der Song übrigens leicht die Richtung, heitert ein wenig auf und bewegt sich ein bisschen mehr ins Feld Blues Rock.

Abwechslung dazu bietet der instrumentale Song „Swampmotofrog“. Er wird direkt vom Beginn an gleichermaßen vom Riffing und von Off-Beats angetrieben. Straight forward! Langeweile kommt definitiv nicht auf, was auch nicht zuletzt am Wechsel zwischen Hard Rock und Groove Rock liegt. Na gut, vielleicht geht es ein ganz klein wenig in der Bridge nach unten, fängt sich aber wieder mit der wabernden, leicht psychedelischen Lead-Gitarre. Auf jeden Fall eine solide Nummer. Und nebenbei: no vocals, no bullshit!

„First The Money, Then The Honey“ bildet mit den Lyrics über das Erkaufen von Zuneigung eher so das Anti-Liebeslied gegen die vorigen Balladen. Und auch musikalisch wird es hier noch mal richtig groovy, teilweise durchsetzt mit Heavy Riffing.

„Rich Man, Poor Man“ schlägt noch mal in die Blues Rock-Kerbe, wobei manche Elemente schon fast was von Country Rock haben. Mit einem Whisky an den Tresen gelehnt und abgeklärtem Kopfnicken geht es hier lässig zur Sache, obwohl der Song überwiegend zügig im Tempo ist. Der Sound besticht auf jeden Fall und bringt noch mal Abwechslung mit sich.

Ähnlich startet „Knocked Out By Tyson“, wobei hier dann sehr schnell wieder mehr der Funk Rock Flow aufkommt. Hier nimmt der weibliche Gesang neben den Backings auch eine etwas stärkere Stellung im Klangbild ein. Außerdem werden mit den Gitarren coole, kleine Akzente gesetzt. Ich würde mal behaupten, eine gelungene Komposition.

Mit „One Of The Fallen Angels“ wird das Album mit einer Power-Ballade zu Ende gebracht (jetzt reicht es aber echt mal mit Gesülze!). Die ersten zwei Drittel wirkt der Song verglichen mit den Vorgängern, die sich durch die ausgebuffte Kombination von Stilelementen ausgezeichnet haben, eher profillos. Dafür folgt dann zum Schluss ein neues Motiv, dass zunächst total nach Western Style klingt und sich langsam zu einem atmosphärischen Horror-Klang hinarbeitet. Der Teil trägt wohl die Aufschrift „Outro“ und passt meiner Meinung nach überhaupt nicht zum restlichen Song.

Insgesamt ist „The Ghost Ward Diaries“ eine echt lässige Platte, die ein breites Spektrum verschiedener Rock-Stile geschickt kombiniert. Außerdem ist der Sound echt vielschichtig, im Hintergrund lassen sich auch immer wieder mal orchestrale Elemente ausmachen, die die Stimmung der Songs anreichern. Gleichzeitig zieht sich musikalisch definitiv ein roter Faden durch und in den Gitarrenspielereien stecken viele geile, kleine Details, die man hier gar nicht alle beschreiben kann. Allerdings wirken die Motivwechsel in manchen Songs, gerade im zweiten und letzten, zu krass und hier und da ist es für meinen Geschmack auch ein bisschen too much (was definitiv nicht für die Gitarren gilt!). Vielleicht liegt das aber auch einfach daran, dass ich nicht so richtig mit dem Genre vertraut bin. Anyway, ein echt starkes, energiegeladenes Album und ich habe Lust auf Bier bekommen. Cheers!