Ellende_Cover kleinGenre: Atmospheric Black Metal
Label: AOP Records
Veröffentlichung: 29.3.2019
Bewertung: sehr gut (7/10)

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Auch wenn das Bandfoto tatsächlich eine ganze Truppe zeigt, gebühren die Credits wohl allein dem Multiinstrumentalisten Lukas Gosch, aka L.G., der sich bei den Aufnahmen wie auch zuvor nur von Live-Drummer P.F. unter die Arme greifen ließ. Nach seiner ersten Platte „Rückzug in die Innerlichkeit“ 2012 und dem vielbeachteten zweiten Werk „Todbringer“ erscheint nun sein dritter Longplayer mit dem Titel „Lebensnehmer“, der das Thema der Melancholie und Wut weiterführt und in Bezug auf den Titel der Zwilling oder Antagonist des vorherigen Albums ist. Der Grazer setzt weiter auf deutsche Texte, klassischen Black Metal und atmosphärische Einschläge wie verschiedene Instrumente, Akustik-Gitarren oder unverzerrten Bass, wie in „Augenblick“, das nach einem instrumentalen Intro zunächst in die Vollen geht, um im Zwischenpart zur Ruhe zu kommen. Auch der Sound wechselt hier radikal von vollmundig zu verschluckt-verdampfend in einer Gummizelle. Die klassischen Black Passagen sind geprägt von fernem kehligen Gekreische, gedämpften Tremolo-Gitarren und meist prügelndem Schlagzeug. Der Gesang ist leider so entrückt gemischt, dass die deutschen Texte nicht verständlich werden. „Die Wege“ bewegt sich eher im doublebassigen Midtempo, wenngleich die Gitarren im Eiltempo schruppen. Die Zwischenparts enthüllen das elegante Talent des Songschreibers, das virtuos mäandert. Natürlich fehlen auch die Prügel-Blastbeats nicht, die nicht weniger gut zu den Screams passen. „Ein Stück Verzweiflung“ bietet in der Halbzeit einen instrumentalen Happen, der das Thema nicht so deprimierend klingen lässt wie der Songtitel suggerieren mag.

„Der Blick wird leer“ lässt den Zuhörer an manchen Stellen am Text teilhaben, auch wenn hier die Vocals trotz allem sehr weit in den Hintergrund gerückt wurden. Hier dominieren die trübsinnig-schwermütigen Gitarren, die durch das Stottern der Verzerrung einen live Charakter gewinnen. Der Song demonstriert in perfekter Weise, wie Black Metal auch ohne konstante Blastbeats auskommen kann, ohne den Ursprung zu verraten. Absoluter Anspieltipp!

„Liebkosung des Eiswinds“ bietet ein bisschen Ambient mit Synthies und Keyboards, die sicherlich erdacht wurden, um den eisigen Wind zu imitieren – meiner Meinung nach ein überflüssiger Instrumentalausflug. „Du wärst eine schöne Leiche“ schlägt dafür Misanthropie sei Dank wieder in die richtige Kerbe und kredenzt Midtempo Black Metal in Tremolo-Manier und ohne übertriebenen Garagensound (vielleicht gewöhnt man sich mit der Zeit aber auch an die Verpackungschips-Kiste). „Atemzug“ bietet last but not least Pianoklänge, die mir absoluten Respekt für den multiinstrumentalen Künstler abringen, auch wenn ich es jetzt nicht gebraucht hätte. Der restliche Song gestaltet sich schon fast groovig-melodiös ohne übertriebene Härte, dafür mit einem langen Outro inklusive Cello.

Alles in allem liegt mir ein gelungenes Black Album vor, das mit ausgeklügeltem und variablen Songwriting glänzt. Die Screams und die deutschen Texte sind modern und doch nicht experimentell oder neuartig. Den Sound möchte ich kritisieren, wenngleich mir klar ist, dass genau dieser viele Hörer in seiner Blechernheit ansprechen mag. Für meinen Geschmack ist der Gesang zu sehr nach hinten gerückt, die Blastbeat-Passagen könnten klarer und weniger wattig sein. Aber wie gesagt- ich bin mir sicher, das Album wird deshalb nicht in Ungnade fallen – eher im Gegenteil.