Obey The Brave - Balance CoverartworkGenre: Metalcore/Hardcore
Label: Impericon Records
Veröffentlichung: 19.07.19
Bewertung: 6/10 (Gut) 

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Aufgehorcht ihr Wagemutigen! Der kanadische Fünfer tritt erneut an, um allen Bands innerhalb des neumodernen Hard- und Metalcore zu zeigen wie man die Turnschuhe richtig bindet! Vor ziemlich genau 2 Jahren veröffentlichte die Band ihr erst drittes Studioalbum „Mad Season“, somit kann man den Herren um Schreikopf Alex Erian (Ex- bzw. erneut DESPISED ICON) einen unermüdlichen Tatendrang vorwerfen, welcher sich in immer dynamischeren Alben manifestiert. Jetzt könnte man natürlich sagen, dass OBEY THE BRAVE nur ein weiterer Ableger der immer gleich klingenden und klischee-überladenen Kaste des bunte Shirts tragenden und wild tätowierten Jugendstils sind. Doch damit wäre die Meinung zu kurz gegriffen. In puncto Energie und Attitüde waren die Frankokanadier meistens ihren Genrekollegen ein bis zwei Schritte voraus und konnten so in kurzer Zeit eine mehr als beachtliche Anzahl an Fans, als auch an Konzerten unter ihren Snapbacks vereinen. Mit dem mittlerweile vierten Album im Gepäck darf man sich dann auch wieder auf Festivaltouren bzw. -auftritte freuen.

Der erste Song „No Apologies“ zeigt direkt was ich in der Einleitung angedeutet habe. OBEY THE BRAVE gehen sofort in die Vollen und servieren neben melodischen Riffs und Gesang eben nicht den absoluten Einheitsbrei. Bis in den Keller gestimmte Gitarren sucht man hier vergebens, denn heavy kann man auch agieren ohne die mittlerweile lästigen Downtunings. Der Sound ist klar und transparent, die Sechssaitigen lassen dem Bass genug Raum um Druck und Fundament zu transportieren und die Drums haben richtig Eier. Die Tempowechsel entlocken dem Titel einiges an Charme und sind clever gesetzt, sodass der Opener eine gute Figur abgibt.

Bei „Die Young“ darf dann kollektiv mitgegrölt werden und die Hacken können deftig ins Tanzparkett knallen. Wäre ich 10 Jahre jünger würde ich die Mucke wahrscheinlich abfeiern als Gäbe es keinen Morgen. Die rohen, harschen und kratzigen Vocals, die trotz allem immer noch irgendwie gesungen klingen, machen einfach Spaß und passen super ins Gesamtbild.

„Cold Summer“ klingt im Anschluß hingegen beinahe genauso wie der vorangegangene Titel und bedient auch eine ähnliche Songstruktur, sodass es leider direkt den ersten Dämpfer gibt. Abgesehen davon das es hier noch einen Tick melodischer zugeht als zuvor, setzt „Cold Summer“ keine Highlights.

Umso angenehmer das sich danach „Reality Check“ mehr in Richtung TERROR bewegt und viel fieser um die Ecke stampft. Besonders der Mittelteil eignet sich für massig Bewegung in der Menge und groovt schön stoisch dahin. Aber verflucht noch eins, wer hat eigentlich festgelegt das Songs von punkigen Bands so dermaßen kurz sein müssen? Gerade wenn man meint richtig im Song angekommen zu sein, brechen OBEY THE BRAVE ab und machen einen ziemlich harten Schnitt. In diesem Fall ist weniger eben nicht mehr, sondern nur mehr wäre mehr gewesen!

Nach den ganzen Hardcore- bzw. Poppunk wandern die Herrschaften bei „Smoke Signals“ mehr in Richtung Metalcore. Bereits in der etablierten Form von „Böse Strophe/Schöner Chorus“-Struktur, allerdings kommt beim Übergang in die zweite Strophe etwas RISE AGAINST-Feeling auf welches sich in einem Breakdown fängt, bei dem natürlich das geliebte Chinabecken nicht fehlen darf.

Und dann ist sie wieder da, die gefürchtete zweite Albumhälfte. Der Punkt an dem jede Platte entweder schwimmt oder untergeht und man sich fragt, warum man eigentlich alle starken Titel an den Anfang gestellt hat. Sicherlich ist es ganz unterhaltsam, die zweite Muttersprache wie bei „Calme le Jeu“ zu bemühen und klar ist es auch zwischendurch mal spannend knappe anderhalb Minuten Geknüppel wie bei „Balance“ zu hören, jedoch bleibt danach eine Frage: War es das schon?

In neun Songs pressen OBEY THE BRAVE knapp 25 Minuten Spielzeit, die teilweise von kreativen Ideen und Stilelementen durchsetzt ist und andererseits von strukturellen Mängeln nur so strotzt. Ja, die Musik visiert ein bestimmtes Publikum an. Das ist nicht der mit Nieten behangene und Bathory-Shirt tragende Miesepeter aus der Eckkneipe, sondern eher die Teenager-Generation, die sich bei strahlendem Sonnenschein in die Rolle des Karate Kid begeben wollen. Trotz aller Lobhudelei zwischendrin muss ich eben auch sagen, dass ich nicht mehr knapp 20 bin und mich die sich ständig wiederholenden Mitsingrefrains spätestens gegen Ende doch schon etwas anöden und ich etwas mehr Gehalt schöner gefunden hätte. So kann man leider am Ende nur sagen das hier stark angefangen und mindestens genauso stark wieder nachgelassen wurde.