Genre: Death Metal Label: Redefining Darkness Records/Testimony Records Veröffentlichung: 29.11.19 Bewertung: Bombe (9/10) Facebook
Er ist einfach nicht tot zu kriegen: Der Oldschool Schweden-Death. Was Mitte bis Ende der 80er Jahre in Skandinavien entstand, ist auch heute, knapp 30 Jahre später, immer noch aktuell und nach wie vor gerne gesehen und gehört. Eine neuere Kapelle dieses Genres sind SENTIENT HORROR. Die von Stockholm aus agierenden Akteure haben sich erst im Jahr 2016 gegründet und noch im selben Jahr ihr Debüt „Ungodly Forms“ veröffentlicht. Zwei Jahre später folgte eine EP namens „Crypts Below“ und nun, nochmals zwei Jahre später, der Zweitling „Morbid Realms“. Dass die Band allerdings mit mächtig Spaß an die Sache geht und mit ihren Wurzeln verbunden ist, zeigt sich in der Aussage von Sänger und Gitarrist Matt Moliti, welcher dem legendären HM2-Pedal zuspricht, dass man mit dessen Hilfe Riffs von AC/DC spielen könnte und die Leute glauben würden, man spiele ENTOMBED. So weit so nachvollziehbar und auch so wahrheitsgemäß. Doch sind SENTIENT HORROR nur ein ödes Abziehbild der glorreichen Zeiten und verschwinden im Wust an Trittbrettfahrern oder können sie eigene Akzente in diesem musikalisch doch sehr engen Acker setzen?
Ab geht’s mit „Call of Ancient Gods“ und sofort wird man rasant in die gute alte Zeit katapultiert. Bei aller Nostalgie fällt allerdings doch auf, dass der Sound durchaus gut differenziert ist und zwar angestaubt klingt, jedoch in die heutige Zeit versetzt wurde. Die Vocals liegen schön tief und dennoch verständlich zwischen Martin Van Drunen (ASPHYX) und Manuel Glatter (DESERTED FEAR) und versprühen ordentlich Gift und Pilsduft. Die Nummer geht schon ordentlich nach vorne und könnte, mit seinen leicht melodischen und groovigen Einschüben, durchaus auch von LIK stammen. In der Gesamtheit eine Nummer wie ein Kühles bei 25 Grad Außentemperatur: Geht einwandfrei runter. Besonders der Panzer-Part, der ab der Songmitte startet, hat ordentlich Dampf und weckt Erinnerungen an ENTOMBED. Obwohl die Nummer direkt mit knapp sechseinhalb Minuten zu Buche schlägt, verbauen SENTIENT HORROR viele coole Ideen, die die Sache spannend machen und so verfliegt die Zeit hier wie im Nu.
Direkt mehr dem Death’n’Roll angelehnt startet „Bound To Madness“, fängt sich aber in einer schweren und schleppenden Strophe, die sich aber wiederum temporeich fängt. Die Dynamik vermag durchaus zu entzücken, da hiermit der Song interessant arrangiert wurde und stets ein neuer dicker Riff um die Ecke geschossen kommt. Über den Reverse-Effekt auf der Snare vor dem Solo kann man zwar streiten, aber das ist eine Detailfrage. Einziges Manko bis hierhin wäre der Sound der Drums, der etwas zu komprimiert ist und kaum Luft in den Kesseln lässt, dadurch klingt die Mischung etwas steril.
Nach einem klaren und abrupten Schnitt feuern die Herren aus dem Norden mit „Sworn To The Dead“ unmittelbar den nächsten dicken Brocken ab. Hier steht der Groove besonders im Vordergrund, wobei sich, neben leichten CANNIBAL CORPSE-Anleihen, auch Blastbeats ins Gesamtbild einfügen. Der Refrain geht gut ins Ohr und wird live hundertprozentig lautstark mitgegrölt werden. Auffällig sind auch erneut die wieselflinken und sauber gespielten Soli, hier wurde keine Note dem Zufall überlassen und sich wirklich Gedanken gemacht. Astreiner Hammer, gerne mehr davon!
Gemächlicher, aber dennoch tonnenschwer, entsteigt „Reanimated“ der Gruft. Wenn man hier genau hinhört, kann man ganz leise im Hintergrund GRAVE weinen hören, das ihnen dieser Mainriff durch die Lappen gegangen ist. Wie auch die anderen Songs geht „Reanimated“ hart nach vorn und gönnt dem Hörer keine Pause. Allgemein ist es bemerkenswert, wie „vorne“ alles gespielt ist und eine unheimliche Intensität aufbaut, die einen den verschwitzten Club beinahe riechen lässt.
In „Ripped From Hell“ hat sich eine kurze, flotte Nummer verloren, die sich zwischen schwedischem Blei und dänischem Grind einen Platz sucht und dezent an ILLDISPOSED auf der Überholspur erinnert. Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass die Soli echt geil sind?
Kurz denkt man, man würde „In Hell Is Where She Waits For Me“ von THE BLACK DAHLIA MURDER hören, doch dann schwenkt „Loss of Existence“ zurück in die nordische Heimat und serviert die bekannte Schwedensuppe, bestehend aus schiebenden Drums, tiefen Growls und dem essentiellen Mini-Fünkchen Melodie. Der Song passt definitiv zum Rest des Materials, hat auch coole Riffs parat, steht aber dezent hinter den anderen Songs zurück.
Natürlich darf auch ein Tempobrecher nicht fehlen. In „Black Wings of Delirium“ wird amtlich geholzt und auch die Fraktion der chronischen Headbanger kommt voll auf ihre Kosten, denn der Mittelteil lädt zum Schädelspalten mit der Handkreissäge ein. Ein ordentlich ausgebackener Todes-Semla.
Gehörig Olschool lassen die Herren es in „Obsessive Killing Disorder“ krachen. Stampfende Rhythmen, breitbeinige Tremoloriffs und ein simpler Refrain veredeln den Song. Der Riff in der Mitte haben sich SENTIENT HORROR minimal bei PANTERA abgeschaut, aber es gibt auch schlechtere Bands, die man als Vergleich heranziehen kann.
Im Titeltrack „Morbid Realms“ vereint sich die Stärke aus dem vorangegangenen Material. Der abgrundtief böse und melodische Mittelteil, der das Tempo deutlich niedriger ansiedelt, schindet Eindruck. Beide Gitarren doppeln sich nicht einfach nur, sondern ergänzen die Melodie an den wichtigen Stellen separat voneinander. Gerade die letzte Minute bockt mächtig und lässt das Tanzbein zucken.
Das finale „Cemetary Slaughter“ streift leicht den Black Metal, vermengt das Ganze hingegen aber mit der griffigen Elchtod-Note. Cooler Rausschmeißer, der in den Vocals abermals Einflüsse eines gewissen Herrn Fisher wachruft.
„Morbid Realms“ vermag zwar bei aller Lobhudelei keine wahnsinnig neuen Akzente in Bezug auf Death Metal zu setzen, macht aber absolut nichts verkehrt und geht ordentlich ab. Den Spaß kann man den Musikern anhören und das Zusammenspiel funkt auf allen Ebenen. Die Sache, die SENTIENT HORROR von anderen Bands abhebt, die ebenfalls im kleinen Teich des schwedischen Death Metal fischen, ist die kreative Art und Weise Songs zu schreiben. Kein einziger Riff wirkt fehl am Platze und jede Wendung hat seine Berechtigung oder seinen Sinn. Es muss nicht immer absolut filigran und tiefsinnig an jeder Ecke sein, manchmal bedarf es einfach ein paar Dingern ins Gesicht und genau das bekommt man hier auch.