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Es ist Februar, was bedeutet, dass es wieder Zeit für eine weitere Auflage des HEATHEN ROCK FESTIVALs ist. Mittlerweile eine Institution in der Hamburger Metalszene laden die Organisatoren zu einem gemütlichen, familiären Tag im Rieckhof, Harburg ein. Auch dieses Jahr gibt es ein Potpourri an nationalen wie internationalen Bands zu sehen, sodass für jeden was dabei ist.

Die tunesische Band YMYRGAR eröffnet das Festival und passend zum Namen wird solider Folk Metal geboten. Der erste Slot des Tages ist immer ein wenig undankbar, da sich erst wenige Leute vor Ort befinden, was auch hier der Fall ist. Der Raum vor der Bühne ist noch recht leer und Stimmung will trotz erster fliegender Haare wohl noch nicht so richtig aufkommen. Da fehlen wohl die obligatorischen zwei bis drei Runden Kaffee am Morgen. Die Band zieht ihr Set trotzdem motiviert durch und bietet u.a. ein wenig Geigen-Action an, welche soundtechnisch leider ein wenig untergeht. Von erhabenen mit fröhlichen Songs ist alles dabei. Insbesondere der Abschluss macht gute Laune und die Dame an den Tasten bietet eine funkige Keyboard-Einlage, die mit Sicherheit die ersten Lebensgeister im Publikum weckt.

Als nächstes betreten die Jungspunte von THE GENERATIONS ARMY die Bühne. Die Schweden legen geschwindigkeitstechnisch eine ordentliche Schippe drauf und bieten klassischen Thrash Metal à la Metallica. Die Jungs verstehen ihr Handwerk und geben richtig Gas auf der Bühne. Auch hier sind noch nicht so viele Leute vor der Bühne, die meisten halten sich eher im Hintergrund, doch so langsam kommt Bewegung in die Bude. In der Mitte ihres Sets gibt die Band ein Slayer-Cover zum Besten, welches gut bei den Zuschauern ankommt. THE GENERATIONS ARMY sind auch die Ersten, denen beim Performen warm genug wird, um mehr Haut zu zeigen. Dann gibt es gegen Ende noch einen extremen Lichtflimmermoment, bei dem man sich fragt, ob man danach jemals wieder normal sehen können wird – zum Glück ist das der Fall. Nach einem energiegeladenen Auftritt verlassen die Jungs zufrieden die Bühne.

Nach einer etwas längeren Umbaupause sind INDUCTION, eine multinationale Truppe, dran. Sie sind die ersten, die ihr eigenes Banner mitbringen, doch leider kommt es nicht richtig zur Geltung, da es zu groß für die Bühne ist. Außerdem fahren die Jungs schon etwas größer auf mit einem eingespielten Intro und Orchester vom Band – wie es sich halt für eine Symphonic Power Metal Band gehört. Auch INDUCTION sind motiviert und dieses Mal lassen sich mehr Leute vor der Bühne beobachten. Mag vielleicht auch daran liegen, dass Tim Hansen einer der Gitarristen ist – kein unbekannter Name in der Hansestadt. Die Band hat Bock und fordert das Publikum zum Mitmachen auf, was nur mittelmäßig aufgenommen und dem Auftritt nicht gerecht wird. Sehr schade, denn die Jungs haben Spaß und gehen gut ab. Da sich der Soundcheck ein wenig in die Länge gezogen hat, müssen sich INDUCTION ein wenig beeilen, aber das merkt man ihnen nicht an. Ein solider Auftritt, auch wenn der Gesang manchmal ein wenig zu leise eingestellt war.

Jetzt wird es wieder etwas rustikaler, denn die Jungs von DETRAKTOR haben sich offensichtlich vorgenommen, die Bühne abzureißen, denn es geht von Anfang kompromisslos zur Sache. Am eindrucksvollsten ist hier der Drummer, der auch gleichzeitig Sänger ist. Schlagzeugspielen ist schon ein Workout für sich, und wenn man dann auch noch Thrash Metal spielt, also eine entsprechende Grundgeschwindigkeit hat, ist diese Kombination umso imposanter. Zusätzlich wird auch noch das Publikum angefeuert, sodass man selbst als erfahrener Metalhörer stellenweise überlegt, wie heiser der Sänger am nächsten Tag sein wird. Aber es scheint zu wirken, da sowohl vermehrt die Pommesgabeln in die Luft gestreckt als auch viele Häupter geschüttelt werden. Nur als der obligatorische Moshpit angefordert wird, kommt das Publikum dem nicht so richtig nach. Aber Bewegung ist nun allemal drin – jetzt ist wohl auch der letzte Zuhörer wachgerüttelt. Am Ende des Sets bedankt sich die Band herzlich und geht mit einem großen Lächeln von der Bühne.

Nachdem alle wieder durchgeatmet haben, geht es mit mehr Erhabenheit und einem Hauch Bedrohlichkeit weiter. Mit einem pompösen Intro und oberkörperfrei betreten die Mannen von VALKENRAG die Bühne. Die Polen erinnern im Auftreten und Klang an eine allen nicht unbekannte, schwedische Band, die sich ebenfalls gerne mit Wikingern befasst. Souverän wird das Set durchgezockt, ohne großes Gesabbel zwischendurch. Dies hätte auch durchaus die bedrohlich angehauchte Atmosphäre gestört, denn die Band arbeitet sich in ihrer Setlist vor, wie ein massiges Schiff, welches bei ruhigem Seegang langsam aber stetig im Dunkeln nähert. Als Abschluss hat man sich tatsächlich für ein Amon-Amarth-Cover („The Pursuit of Vikings“) entschieden, sodass nun unverhohlen Parallelen gezogen werden können. Aber die Darbietung bringt nochmal ordentlich Stimmung in die Bude: Simpel aber effektiv.

Mit dem nächsten Act wird es noch atmosphärischer und mystischer. WALDGEFLÜSTER bringen ihre eigene, passende Bühnendeko mit und kreieren kurzerhand ein Waldprovisorium. Das Akustikgitarrenintro zieht die Leute vor die Bühne, sodass sich der Platz verdichtet. Die Instrumente sind gut ausbalanciert und die Jungs haben sichtlich Spaß. Es lassen sich viele Haare in der Luft ausmachen, doch trotzdem gibt es auch genügend Leute, die das halbe Set durchquatschen und nur mäßig den Auftritt genießen. Schade und durchaus auch respektlos der Band gegenüber. Zum Glück ist der Umstand nicht so störend, sodass die Band mit Spaß ihr Set durchzieht und sich herzlich für die Einladung beim Orga-Team bedankt.

Und erneut gibt es ein Kontrastprogramm: Wieder kommen Polen auf die Bühne, doch CRYSTAL VIPER bieten astreinen Heavy Metal mit einem Hauch Moderne an. Vom Düsteren wird nun wieder ein Sprung Richtung Party und Geschwindigkeit gemacht. Die Band hat sichtlich viel Spaß auf der Bühne und Sängerin Marta hat das Publikum im Griff. Das Anfeuern und Mitgrölen läuft, gerade bei Krachern wie „Metal Nation“, wie am Schnürchen. Nur die hohen Metalschreie bleiben Marta vorbehalten, die gesangstechnisch alles aus sich rausholt. Die Zuhörerschaft setzt sich bei jedem Song auch sofort in Bewegung, kaum jemand steht wirklich still. Auch hier lässt sich nichts am Sound beanstanden. Ein grundsolider, Freude machender Auftritt durch und durch.

Die kurze Umbaupause ist auch dringend nötig, da nach dem vermeintlichen Geschwindigkeitsrausch nun der totale Abriss folgen soll. Die Lokal-Heroen von ENDSEEKER schalten ihre Death-Metal-Walze mit Lachgaseinspritzung ein und machen alles platt, was sich ihnen in den Weg stellt. Da werden keine halben Sachen gemacht, was sich daran zeigt, dass die ersten richtigen Moshpits des Tages entstehen.  Doch nicht nur das Publikum rastet aus, auch die Band lässt sich nicht lumpen gibt alles, bis der Schweiß in Strömen fließt. Die Jungs spielen unter anderem Songs von ihrem neuesten Werk „The Harvest“, welche gut bei den Zuhörern ankommen. Ein paar der Lieder sind richtige Nackenbrecher und als solche werden sie auch angekündigt. Hauptsache laut, so lautet die Devise, denn der Sound scheppert, was das Zeug hält, aber es bleibt alles im guten Bereich. Auch ENDSEEKER bedanken sich herzlich bei der Crew, ehe der Auftritt sein Ende findet.

Während nun der Umbau für den Headliner stattfindet, betritt Alex, einer der Heathen Rock Veranstalter, auf die Bühne und hält eine kurze, aber emotionale Ansprache, in der er sich beim Rest des Teams sowie bei den Besuchern für alles bedankt, da dieses Heathen Rock leider das letzte seiner Art sein wird. Die Veranstalter gaben vergangenen Oktober bekanntgegeben, dass das Festival in den kommenden Jahren nicht mehr fortgeführt wird, was also diesen Abend noch etwas besonderer macht. Alex bittet alle, sich als Dankesgeste hinzuknien und das wird auch prompt in die Tat umgesetzt und mit einer Runde lautem Applaus garniert. Sicherlich der rührendste Moment des Abends.

Mit einiger Verspätung betreten nun endlich TURISAS, die finnischen Folk-Metal-Größen, die Bühne und die Menge ist sofort begeistert. Die Band hat sogar einen Überraschungsgast im Gepäck: Niemand geringeres als Meri Tadic (ex-Eluveitie) spielt an diesem Abend die Geige. Leider ist sie in den ersten paar Songs kaum zu hören, erst später wird der Sound angepasst. Die Stimmung ist von Anfang an sehr gut, viele haben sich auf diesen Headliner gefreut, weil hier mit Sicherheit auch Nostalgie eine große Rolle spielt. Dementsprechend gibt es kleinere Moshpits und viele Leute, die  Nach ein paar Songs entschuldigt sich die Band für die Verspätung. Als Grund nannten sie das verspätete Eintreffen einiger Instrumente, da wohl die Fluggesellschaft an dieser Stelle Mist gebaut hat. Glücklicherweise kamen die Instrumente in letzter Minute doch noch an. Die Finnen präsentieren einen absolut professionellen und routinierten Auftritt, bei dem auch durchaus an einigen Stellen Playback zum Einsatz kommt, um eine optimale Performance zu bieten. Klassiker wie „Piece By Piece“, „Battle Metal“ und „Stand Up and Fight“ werden natürlich zum Besten gegeben und dementsprechend vom Publikum abgefeiert.

Nach diesem schweißtreibenden Auftritt gehen die Meisten dann doch bereits nach Hause, obwohl die letzte Band des Abends erst noch spielen soll. Der letzte Slot auf einem Festival ist genau aus diesem Grund oftmals ein wenig undankbar, doch KALEVALA aus Russland lassen sich davon nicht beeinflussen und kommen motiviert auf die Bühne. Die Band um Frontfrau Ksenia bieten rhythmischen und fröhlichen Folk Metal mit diesem unverwechselbaren slawischen Sound, der sofort gute Laune macht. Diejenigen, die noch nicht nach Hause gegangen sind, genießen diesen energiegeladenen Auftritt, welcher einen hervorragenden Abschluss für dieses HEATHEN ROCK darstellt.

So also endet die elfte und leider letzte Edition des HEATHEN ROCK FESTIVALS. Die Veranstalter haben sich für 2020 nochmal ordentlich was einfallen lassen, um jeden Besucher ein schönes Erlebnis zu bieten. Das Festival war immer eines der ersten, welches die neue Live-Saison eröffnet hat und durch die überschaubare Größe machte alles einladend und gemütlich. Das HEATHEN ROCK ist in den letzten Jahren zu einer lokalen Institution geworden, die aber auch Publikum außerhalb der Hamburger Region angelockt hat. Nun fällt ein weiteres Event weg, welches die Metalszene und die aufsteigenden Bands unterstützt hat, was sehr bedauerlich ist, da nun ein weiterer Anlaufpunkt fehlt. Die Vielfalt lebt von großen und kleinen Veranstaltungen. Der Name wird jedoch nicht ganz von der Bildfläche verschwinden, da mit dem Heathen Rock Entertainment der Fokus auf einzelne Konzerte und Touren gelegt wird.
Vielen Dank an die HEATHEN ROCK Crew, die uns die letzten elf Jahre mit tollen Abenden versorgt und die Szene bereichert hat, und vielen Dank an alle Fans, die immer das Festival kräftig unterstützt haben! Auf zu neuen Ufern.