Genre: Dark Country/Folk Label: Independent Veröffentlichung: 11.01.20 Bewertung: 9/10 (Bombe) Facebook
Yeehaw! Staubiger Country/Folk mit ordentlicher Wild West-Schlagseite aus dem Herzen Griechenlands? Ja, das geht. REDEYE CARAVAN bedienen eine, zumindest hierzulande, eher weniger oft befahrene Schiene. Lokalisiert ist der Planwagenkonvoi in Livadia, etwa 120 Km entfernt von der Landeshauptstadt Athen. Der Name des Trupps geht hingegen auf einen Euphemismus für Whiskey und den Abschied vor einer langen Reise zurück. Wobei gar nicht so einfach herauszufinden ist, wann diese genau begann. Studiert man die Facebookseite der Band, lässt sich die Grundsteinlegung aber auf Anfang 2019 eingrenzen. Somit ist das Septett quasi noch taufrisch und zögert auch nicht lange damit, das Debüt „Nostrum Remedium“ direkt ohne Unterstützung eines Labels aus dem Colt zu pusten. Thematisch werden allerlei fiktive Geschichten um Monster, Tod und Teufel erzählt, die somit passenden Lagerfeuercharme versprühen. Doch ist das Album, dem Titel entsprechend, nun das besagte „Heilmittel“ oder eher ein schaler Schluck in der Pulle?
Zunächst eher dem großen Manitu zugeneigt, beginnt der erste Song „The Descent“ mit einem beschwörenden Gesang, bevor aber dann die Geige und die Slidegitarre den Platz für sich beanspruchen. Was ebenfalls sehr angenehm auffällt, ist der erdige und authentische Sound. Genau so stellt man es sich auch aus der Heimat, den USA, vor. Jedes Instrument kommt gut zur Geltung und auch der mehrstimmige Gesang wirkt gut platziert und keineswegs zu perfekt. Der Groove bietet genau den richtigen Schwung um Durst und Sehnsucht nach der Ferne zu bekommen. Genau so muss diese Art Musik klingen. Kein Schnickschnack, keine Experimente, nur bodenständiges Gitarrenspiel und minimalistische Songstrukturen. Ein Musikvideo wurde für den Track ebenfalls gedreht, welches ihr euch hier ansehen könnt.
„El Muerto“ trumpft danach mit schön dreckigem Gesang und einem steil gehenden Rockpiano auf. Der ideale Soundtrack für einen Quentin Tarantino Film, da hier alles (positiv) abgefuckt und heruntergekommen klingt, als wäre der imaginäre Protagonist gerade mitten in einer wilden Schießerei im Nirgendwo und die einzigen, die zusehen, sind die Skorpione auf den Felsen. Auch hierfür wurde die Musik in Bild gefasst, was ihr hier sehen könnt.
Die Goldschürferhymne „Good Man Richard“ (Musikvideo hier) bietet einen lässigen Blues mit sattem Gitarrensolo, der durchaus tanzbar ist. Das folgende „Ozymandias“ steht dem ebenfalls in nichts nach. Eine Sache lässt jedoch nicht locker. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die hier gebotene Mischung in jüngster Historie gleichermaßen von jemandem geboten wurde, von dem man normalerweise anderes kennt. Nergal hat mit seinem Dark Folk Projekt ME AND THAT MAN, das seiner Hauptband BEHEMOTH sehr konträr gegenübersteht, ebenso den akustischen Weg in die Gefilde des Country und Blues gefunden. Jedoch gehen REDEYE CARAVAN weniger verschnörkelt zu Werke und halten sich vollständig und mit Nachdruck im Bereich des dezent düsteren, jedoch keineswegs negativen Folk auf, bei dem kein Platz für religiöse Anspielungen oder ähnlichem zu finden sind.
Sicherlich kann man dem griechischen Siebener vorwerfen, dass sich die Stücke in vielen Sequenzen, außer vom Tempo, gleichen. Aber zu verlangen, dass sich in diesem musikalischen Sektor die Stücke stärker voneinander abheben sollen, wäre in etwa so sinnvoll als hätte man seinerzeit Lemmy versucht zu überzeugen, weniger Rock ’n‘ Roll zu verkörpern. Braucht man nicht, denn genauso wie es ist, ist es gut. Gerade im Gegensatz zum immer technischer agierenden Zirkus des Musikwelt ist es definitiv hin und wieder notwendig einen Gang zurückzuschalten. Das soll nicht bedeuten, dass die Musiker ihr Handwerk nicht verstehen, im Gegenteil! Jegliche Songs sind super gespielt und weisen das richtige Know How auf. Der Song und der Vibe stehen im Mittelpunkt, nicht das Können der Musiker.
Ob nun Songs wie „Banshee“ oder „Marie Celeste“, es gibt innerhalb des Albums keinen Ausfall, alles ist stimmig und passt ins Gesamtbild. Das abschließende „Old Debt“ erweckt Erinnerungen an „Ecstasy of Gold“, die Einmarschmusik von METALLICA, welche als Einleitung zu jedem Konzert erklingt und gewissermaßen ein Knicks vor Ennio Morricone darstellt (R.i.P.). Ganz klar bleibt es Geschmackssache, ob man dem nun etwas abgewinnen kann oder nicht, jedoch werden offen eingestellte Musikfans hier eine coole und kurzweilige Platte finden, die sicherlich noch das eine oder andere Mal den Durchlauf vollziehen wird.