ENGLISH VERSION BELOW
Hi Anders! Danke, dass du dir Zeit nimmst, um ein paar Fragen zu beantworten. Wie fühlst du dich jetzt, da das neue Album bald veröffentlicht wird?
Mit Vergnügen. Ich fühle mich, als ob sich das schon alles sehr lange hinzieht. Die meisten Songs wurden schon vor einiger Zeit geschrieben und seit die Songs Form angenommen haben, bin ich extrem aufgeregt. Ich finde das neue Thema des Albums sehr spannend und freue mich, wie weit wir seit Sovran vorangekommen sind. Meiner Meinung nach ist Under A Godless Veil eine sehr subtile, wunderschön traurige, musikalische Schöpfung, und wenn man ein Verständnis für das Thema hinter den Songtexten hat, glaube ich, dass es sehr viel Kraft schenken kann.
Das Album sollte bereits früher erscheinen. Warum die Verzögerung?
Abgesehen von den typischen DRACONIAN-Verzögerungen gab es Probleme mit dem Album Layout. Deshalb wollte das Label, dass das Album Mitte Herbst diesen Jahres veröffentlicht wird. Das erste Veröffentlichungsdatum war für Juni 2020 angedacht, musste aber auf Herbst verschoben werden. Das war natürlich doof für uns und unsere Fans, da es so aussah als würden wir seit Ewigkeiten warten. Wenn ich mich richtig erinnere, war es unsere Intention, das Album im Januar 2019 zu veröffentlichen. Eine Verzögerung von knapp zwei Jahren also. Letztendlich war es erst Ende 2019 gemixt, aber wenn man betrachtet, wie toll das Album geworden ist, war das vielleicht einfach nötig.
Du hast erwähnt, dass du zufriedener mit dem neuen Album bist, als mit Sovran. Warum ist das so?
Ich finde, dass mein Leben eher ein Heilungsprozess von der surrealen, schädlichen Zeit des Kompositions- und Aufnahmeprozesses von Sovran war. Neben diesen neuen Songs habe ich mich sowie neue Leidenschaften wiedergefunden. Und wenn wir das Songmaterial mal beiseite lassen, hatte ich Schwierigkeiten das Album aufzunehmen. Das viele Ringen damit hat meine Sicht auf das Album getrübt. Jedoch ich persönlich halte Under A Godless Veil für ein besseres Album und ich habe schönere Erinnerungen, die damit verbunden sind.
Welches sind die größten künstlerischen Einflüsse auf diesem Album?
Was mich angeht, war und ist das lyrische Konzept ein großer Einfluss. Letztendlich habe ich realisiert, dass die Lyrics aufgrund notwendiger Änderungen ein wenig abgespeckt werden mussten, um sie den Songstrukturen anzupassen. Was Johan (Lead-Gitarrist, Anm. der Red.) angeht, weiß ich, dass er von Dingen, wie z.B. den Songs auf der Spotify-Playlist, die er für die sozialen Medien erstellt hat, beeinflusst wurde.
Kannst Du uns mehr über das Album-Artwork und den Titel sagen? Warum habt ihr euch für diese entschieden und was repräsentieren sie?
Das Artwork zeigt die gefallene Göttin Sophia (Weisheit repräsentierend), welche unterdrückt wird – was auch als Vergewaltigung oder Diebstahl ihrer Lebenskraft und Schöpfungskräfte durch die Archonten gesehen werden kann. Diese Wesen werden als dämonische Herrscher über die materielle Welt betrachtet. Sie überwachen deine Gefangenschaft – und stellen sicher, dass deine Seele immer wieder zurückkehrt. Das Wort „Archont” kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Herrscher”. Der höchste Herrscher an der Spitze ist dieselbe Energie/Macht, die von den Gnostikern als Demiurg verstanden wird – oder der Gott Abrahams. Also der Gott der materiellen Welt und der drei monotheistischen Religionen.
Sophias Geschichte sowie ihre Beziehung zu den Archonten ist komplex und ich kann nur jedem empfehlen, seine eigenen Recherchen zu machen, da es eine sehr dunkle, traurige und faszinierende Erzählung ist, welche auf die unglücklichste Art und Weise mit uns Menschen verbunden ist.
Was war das Schwierigste beim Entstehungsprozess des Albums?
Das Zusammenkommen, um die Musik zu schreiben und das Album dann aufzunehmen. Das alles war sehr zeitaufwendig und beschwerlich meiner Meinung nach. Ich glaube, wenn es eine Art Zeitplan gegeben hätte, wäre das Album schneller entstanden. Natürlich ist auch Privates dazwischengekommen. Aber sobald wir zusammengekommen sind, flossen die kreativen Energien und jetzt, wenn ich mir das Album anhöre, bin ich sehr glücklich mit dem, was wir gemacht haben.
Wenn man das Album mit euren älteren Veröffentlichungen vergleicht – was sind die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen denen?
Wenn ich Under A Godless Veil höre, hat es eine subtile Wirkung. Wenn es also düster und schwer wird, gibt es quasi einen großen Paukenschlag. Vor ein paar Jahren habe ich einige Kommentare zu Sovran gelesen, die meinten, dass die überraschenden progressiven Elemente von Turning Season Within und A Rose For The Apocalypse fehlen. Das blieb bei mir haften, da ich das als richtig empfinde, zumindest zu einem gewissen Teil. Aber Sovran sollte wie Sovran klingen. Beim neuen Album finde ich, dass es atmosphärischer ist, obwohl weniger Keyboards verwendet wurden. Ich denke, dass viele Leute dem Album Zeit geben müssen, um sich wirklich darauf einlassen und es verstehen zu können.
Wie du bereits angedeutet hast, wird sich das Album mit Gnostizismus beschäftigen, da er dir wichtig ist. Warum spricht er dich so an?
Ich habe dieses Konzept auf recht feinfühlige Weise genutzt. Ich möchte damit nicht moralisierend wirken, sondern es einfach als Quelle für so gut wie alles verwenden, was wir bisher gemacht haben… was im Prinzip alles gnostische Vorstellungen und Gedankengänge waren. Ob wir nun über das Gefühl sprechen, entfremdet und alleine dieser Welt zu sein, Luziferische Dinge oder tiefere Gedanken zum Thema Liebe und ähnliche, persönliche Erfahrungen. Ich habe verstanden, dass all das von Natur aus gnostisch ist. Und andere Leute haben mir das ebenfalls aufgezeigt. Anscheinend war ich schon immer in irgendeiner Form ein Gnostiker. Dieses Mal geht es also um den Ursprung.
Lass mich kurz des Teufels Advokaten spielen: Auch wenn sich DRACONIAN von Anfang mit religiösen/philosophischen/kosmischen Fragen auseinandergesetzt hat, glaubst du nicht, dass das Thema den Hörer ein wenig überfordert? Es ist noch abstrakter als Ideen von Liebe und Verlust, mit denen ihr euch auch bereits beschäftigt habt.
Wie bereits erwähnt, ich hatte nicht vor, diese Lyrics in moralisierender Weise zu schreiben, aber einige Leute da draußen werden ihre Meinung dazu haben. Es gibt schon Leute, die sich für Gnostizismus begeistern aufgrund der bereits veröffentlichten Songs und Dingen, ich auf in den sozialen Medien geteilt habe. Es ist ein faszinierendes Thema und es umfasst einfach alles. Das macht es so episch. Letztendlich ist es das, was mich in den letzten Jahren inspiriert hat, deswegen habe ich darüber geschrieben.
Hast du eine Vorstellung, was für einen Effekt das Album auf den Hörer haben könnte?
Nein. Aber ich hoffe, dass es ein nachdenkliches Gefühl des Staunens sein wird. Ich denke, dass die Leute weiterhin dieses besondere Gefühl haben werden, von dem sie mir immer erzählen; dass sie sich ein bisschen weniger einsam in dieser Welt fühlen. Das ist etwas, was ich mit ihnen teilen kann – als Fans, als Freunde und als Mitgefangene.
Viele Fans haben dir wiederholt erzählt, wie wichtig oder sogar therapeutisch eure Musik für sie ist. Was denkst du, wenn du deren Geschichten und Nachrichten voller Dankbarkeit liest?
Ein komisches, gemischtes Gefühl aus Erstaunen und Verlegenheit.
Was ist Poesie für dich und wie wichtig ist sie dir?
Es ist eine Wortspielerei, wenn du so willst, um unsere inneren Welten auszudrücken und sie ist sehr wichtig. Leider lese ich sie nicht so häufig wie manche Leute denken.
Es gibt dieses Klischee, dass Traurigkeit und schlechte Erfahrungen die „ehrlichste” und bedeutungsvollste Kunst kreieren. Stimmst du dem zu?
Ja, schon. Weil im Dunkeln zu sein und Angst zu haben, sich diesen zu stellen und da rauszukommen, dazu führt, dass man sich als Person weiterentwickelt.
Die Gnostiker und Neuplatoniker hatten diese wundervolle Idee, dass, wenn man Gott wirklich kennen möchte, man sich selbst kennen muss. Alles Wissen ist Erinnerung. Dem Ruf folgen und der Tatsache ins Auge blicken, wer man wirklich ist.
Musik ist nun seit einigen Jahrzehnten an Bilder gebunden, aber die Bedeutsamkeit von Musikvideos scheint abzunehmen. Viele Künstler, darunter auch Draconian, nutzen heutzutage Lyric Videos zusätzlich zu oder anstatt von traditionellen Musikvideos. Sind Musikvideos deiner Meinung nach noch relevant? In welche Richtung wird sich die Sache entwickeln?
Ich bin nicht auf dem neuesten Stand, was die unterschiedlichen Funktionen von Lyric Videos und normalen Muskvideos angeht, aber ich denke, es ist eine Möglichkeit, um Erwartungen aufzubauen. Die eigentliche Veröffentlichung ist dann mit einem „echten“ Musikvideo verbunden. Natalia Drepina (russ. Künstlerin, Anm, der Red.) arbeitet daran während wir sprechen. Ich persönlich bin nicht so für Musikvideos und schon gar nicht dafür, in ihnen aufzutreten, hehe. Aber ich wertschätze die älteren Videos aus der Zeit, in der ich aufwuchs. Es ist einfach nicht mehr dasselbe. Ich denke, dass das Internet und die sozialen Medien Teile der Magie von Musik und Alben zerstört haben. Der einfache Zugang hat uns alle verarscht, meiner bescheidenen Meinung nach.
Nochmals danke dir für deine Zeit! Die letzten Worte gehören dir:
Danke, dass du dir Zeit für diese tollen Fragen genommen hast, Julia. Und ich entschuldige mich sehr für die Verspätung. I hoffe, dass jeder, der dieses Interview liest, dem neuen Album eine Chance gibt und zu unseren Konzerten kommt.
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ENGLISH VERSION
Hi Anders! Thank you for taking the time to answer a few questions. How are you feeling now that the new album will be released soon?
My pleasure. I am feeling as this has been a long time coming. Most of these songs were written quite a while ago and I have been extremely excited ever since the songs first started taking form. Also excited about the new theme for the album and how far we have come since Sovran. In my mind, Under a Godless Veil is a very subtle, beautifully sad creation and having some understanding of the theme behind the lyrics I believe it will be very powerful.
The album was supposed to come out earlier. What caused the delay?
Apart from the typical DRACONIAN delays there were some issues with the album layout which led to the label wanting to release the album much later at mid-autumn this year. First release was set at June 2020 but has to be moved til autumn. This was of course a bummer for us and our fans as it seemed we’d been waiting forever. If my mind serves me correctly, I think we first intended to have this album out in Jan 2019. Almost a two-year delay.
In the end it wasn’t mixed until late 2019 and considering how wonderful the album turned out perhaps this was what was necessary in the end.
You mentioned that you feel more content with the new album than you did with Sovran. Why is that the case?
I find that my life was more of a healing process from the surreal, damaging time of Sovran’s writing and recording process. Alongside these new songs I was finding myself again and finding new passions with it. Also, if we put the song-material aside I had difficulties recording the album, struggling allot with it which tainted my overall view on the album. Yet, personally, I find Under a Godless Veil a better album for me and I have better memories attached to it.
What are the major artistic influences on this album?
As for me, the lyrical concept itself was a big influence and still is. In the end I realised the lyrics got a little bit watered down due to necessary alternation to fit how the songs were structured. As for Johan, I know he was influenced by stuff like the songs you can find on his Spotify playlist that he put together for social media.
Can you tell us more about the album artwork and title? Why did you choose those and what do they represent?
The artwork is depicting the fallen goddess Sophia (representing Wisdom) being repressed- or what can be viewed a rape, or a theft of her vitalities and creative powers by the Archons. These entities are considered as the demonic rulers of the material world. They watch over your imprisonment – and assure that your soul keeps coming back. The word Archon is Greek for “ruler”. The highest archon at the top is the same energy/force the Gnostics understood as the Demiurge- or the god of Abraham. Hence, the god of the material world and the three monotheistic religions.
Sophia’s story and in relation to the Archons is complex and I can only suggest anyone reading this to make their own research as it is a very dark, sad and fascinating tale which relates to us humans in the most unfortunate way.
What was the most difficult part of the album to create?
Getting together to write and record the bits for the album. The time consumption itself was a bit trying, in my opinion. I think if there would have been a form of a schedule the album would have manifested sooner. And of course, bits of our personal lives get in the way as well. But as soon we got together the creative energies were flowing and now as I listen to the album, I am very happy with what we have done.
If you compare the album to your former releases – what are the differences or similarities between them?
When I listen to Under A Godless Veil I have a feeling of subtlety, so when it gets dark and heavy it comes with a big punch. Years ago I read some comments about Sovran that it lacked the surprising progressive elements of Turning Season Within and A Rose For The Apocalypse, and it stayed with me a little because I find it to be correct, or at least to some extent. But Sovran needed to be Sovran. With this new album I find that, even though it has less keyboards, it is still a more atmospheric album. I think many people will have to give it some time to truly get into to it and come to terms with it.
As you already foreshadowed, this album will deal with Gnosticism as it is dear to you. Why does it speak to you so much?
I used this concept in a pretty delicate way. I didn’t want it to be preachy in any way but more of a source story to almost everything else we’ve done… which all has been Gnostic perceptions and thought-processes. Whether we talk about feeling alone and alienated in this world, spiritual Luciferian stuff or deeper thoughts on love and similar personal experiences. All Gnostic in nature, I have come to understand. And other people have pointed this out as well.
Apparently, I have always been somewhat of a Gnostic. So this time is source level time.
Let me play the devil’s advocate for a moment: Even though DRACONIAN dealt with religious/philosophical/cosmic questions from the beginning, isn’t the theme a bit overwhelming this time for the listener? It’s even more abstract than notions of love and loss, which you also dealt with before.
As mentioned prior to this question, I didn’t make this concept; writing these lyrics in a preachy way, but there will of course be people out there having opinions on this.
There are already people being enthusiastic about Gnosticism because of the songs already out and things I have shared on social media. It is a very fascinating subject and it entails everything. That’s what makes it so epic.
In the end this is what inspired me these past years, so I wrote about it.
Do you have any idea what effect the album might have on the listener?
No. But I hope it will be a contemplative feeling of wonder. I think people will still feel that remarkable thing they always tell me about; that they feel a little bit less alone in the world. It is something I can share with them as fans, as friends and fellow prisoners.
Many fans have repeatedly told you how important or even therapeutic your music is to them. What are your thoughts when you read their stories and messages of gratitude?
A weird assorted feeling of astonishment and awkwardness.
What is poetry to you and how important is it to you?
It is a play on words, if you will, to express our inner worlds and it is very important. Unfortunately, I don’t read it so often as people might think.
There’s this stereotype that sadness and bad experiences create the “truest” and most meaningful art. Do you agree with that?
Well, yes. Because being in darkness and fear, facing them and coming out of it makes you grow as a person. You see the light clearer and you begin to know yourself.
The Gnostics and the Neo-Platonists had this wonderful notion that to truly know God, you must know yourself, and that all knowing is remembering. Heeding to the call and waking up to the fact of who you truly are.
Music has been connected to visuals for a few decades now but the importance of music videos seems to be on the decline. Many artists, including Draconian, use lyric videos nowadays instead of or in addition to traditional music videos. Are music videos still a thing in your opinion? In what direction will this matter develop?
I’m not completely updated on how lyric-videos work in relation to regular music-videos from label to label, but I think it is a way to fashion anticipation. Building up to the release, which comes with a “real” music video. Natalia Drepina is working on it as we speak.
Personally, I am not big on music videos, and definitely not being IN them, hehe. But I do appreciate older videos from when growing up. It is just not the same anymore. I think internet and social media has killed part of the magic of music and albums. The easy access has fucked us all over, in my humble opinion.
Thank you again for your time! The last words belong to you:
Thanks for taking time to write these great questions, Julia. And truly sorry for the delay. I hope everyone reading this will give the new album a try and come and see us live some time.
Schwermetallvergiftung 