Wenn es eine Sache gibt, die im Metal seit jeher Bestand hat, dann ist es die Veränderung. Subströmungen kommen und gehen, etablieren sich oder werden wieder vergessen, doch Stillstand geht anders. Eine neue Spielart wirft jetzt seine Schatten voraus und diese nennt sich NU CORE. Doch was ist Nu Core eigentlich? Wo kommt es her und wer ist das Gesicht dieser neuen Bewegung, die möglicherweise die nächsten Jahre bestimmen könnte?

Mit schon akribischem Stoizismus schreitet das Genre Metal voran und bedient sich dabei immer wieder der eigenen oder fremder Substanz. Alles, was passt, ist erlaubt und da die 80er und 90er Jahre lange vorbei sind, sollte auch die Berührungsangst längst ad acta gelegt worden sein. Doch fangen wir von vorne an. Folgt gerne den eingebauten Links, um die musikalische Entwicklung besser nachvollziehen zu können.

Wir schreiben das Jahr 1998. Eine aufstrebende Band, welche sich KORN nennt, veröffentlichte ein Album namens „Follow The Leader“ auf dem Songs wie „Freak On A Leash“ [Link], „Got The Life“ oder „B.B.K.“ enthalten waren. Kurz darauf feierten ebenfalls andere artgleiche Bands neue Releases. LIMP BIZKIT veröffentlichten im Jahr 2000 „Chocolate Starfish and the Hot Dog Flavored Water“ [Link] und LINKIN PARK betraten mit ihrem Debüt „Hybrid Theory“ [Link] das internationale Parkett. Ebenfalls konnten DISTURBED mit ihrem Erstwerk „The Sickness“ [Link] auf sich aufmerksam machen und kaum ein weiteres Jahr später erschien mit „Iowa“ eine Platte, die der vorher unbekannten Truppe SLIPKNOT [Link] zum Durchbruch verhalf. Die Charts und das Antlitz der Metalmusik wurde innerhalb weniger Jahre völlig generalüberholt. Charterfolge schienen nur so vom Himmel zu regnen und CD’s gingen über die Theke wie ein Rudel Feiernder bei einer Polonaise zu Helene Fischer. NU METAL war geboren und traditionelle Metalfans hassten ihn.

Coverartwork Korn – „Follow The Leader“

Ob nun der Nu Metal Strömungen wie Thrash Metal oder Death Metal nachhaltig schädigte, lässt sich vortrefflich diskutieren. Sogar SLAYER gaben dereinst zu, dass Nu Metal die Entstehung von „God Hates Us All“ beeinflusste [Link]. Was sich ebenfalls änderte, war die Optik der Fans. Eine völlig neue Generation an Anhängerschaft gesellte sich zu den Leder tragenden Kuttenbesitzern. Doch diese trug Baggy-Pants, hatte Piercings, bunte Tattoos und wies eine deutliche Nähe zum Hip Hop auf. Nu Metal spielte genau die richtigen Karten zur richtigen Zeit aus. Hip Hop war so groß wie es niemals wieder werden sollte und in den Köpfen der Teenager und Twens sammelte sich eine ungezügelte Wut aufgrund von Perspektivlosigkeit. Das neue Genre vereinfachte die Mixtur des althergebrachten Metals. Keine Gitarrensoli, die Rhythmik und der Groove stehen im Vordergrund und der Gesangsstil wurde durch normale Cleanvocals, Growls, Shouts, Spoken Word-Passagen und Rap sehr breit aufgestellt. Eine Mischung, die einen leichten Zugang garantierte und wahrscheinlich genau deshalb so erfolgreich wurde. Es wurde eher weniger über mystische oder okkulte Themen gesungen, sondern persönliche Probleme und die eigene Gedankenwelt bildeten das Zentrum der Lyrik. Zumeist wurde diese in der Außenseiter-Perspektive verfasst, womit sich das Gros der jungen Fans absolut identifizieren konnte, denn die Anhängerschaft bekam das Gefühl: „Hey, der versteht mich und hat dasselbe erlebt.“.

Linkin Park etwa um die Jahrtausendwende

Natürlich gab es auch viele Bands, die im Strom des Trends nur eine passive Rolle einnahmen und auf der Erfolgswelle mitschwammen. Doch es sollte sich herausstellen, dass gerade die Bands der ersten Stunde weiterhin erfolgreich bleiben sollten. Nach dem Ableben des Nu Metal, etwa um 2003, wurde die musikalische Landschaft in den nächsten Jahren deutlich von Metalcore und im Folgenden von Deathcore bestimmt. Die Musik entledigte sich der zuvor gefeierten Mixtur und verwebte Aggression erneut mit Gitarrenkünsten, Tempo und einer schnelllebigeren Einstellung. Nachdem sich Metalcore-Bands wie KILLSWITCH ENGAGE [Link], AS I LAY DYING [Link], BULLET FOR MY VALENTINE [Link] und Deathcore Bands wie SUICIDE SILENCE [Link], WHITECHAPEL [Link], THY ART IS MURDER [Link] oder EMMURE [Link] etabliert hatten und der nächsten Generation ein Gefühl mitgaben, wanderte der Kelch zum Djent.

Djent verband progressiven Metal mit Metalcore-Elementen und hob das musikalische Niveau an den Instrumenten massiv an. Instrumentale waren keine Seltenheit und ausufernde Gitarrensoli und komplizierte Rhythmen dominierten, neben den sehr tief gestimmten Gitarren, das Bild. Im Zuge der großen Djent-Welle, von etwa 2010 an, spülten Truppen wie PERIPHERY [Link], ANIMALS AS LEADERS [Link], TESSERACT [Link] oder JINJER [Link] an Land, welche die Genre-Grenzen noch weiter dehnen sollten. Plötzlich schuf sich eine Symbiose aus aggressivem Metalcore, filigranen Jazz-Einwürfen und vertrackt-perkussivem Heavy Metal-Anleihen. Doch vergangene Taten entstiegen ihren Gräbern, noch bevor auch der letzte Hipster sich eine Kiesel Gitarre um den Hals hängen konnte.

Animals As Leaders

2017 veröffentlichte die bislang unbekannte Band TETRARCH die Single „Oddity“ [Link], welche noch deutlich dem Metalcore zuzuordnen ist und den typisch amerikanischen Sound moderner Metalmusik trägt. Doch dann tat sich etwas. Mit der nächsten Singleauskopplung des gleichnamigen Albums „Freak“ [Link] konnte man deutlich die Spuren von KORN und LINKIN PARK ausmachen. Sowohl der Groove als auch die melodischen Vocals waren vorhanden, verbanden dies allerdings mit der Energie und der groben Instrumentierung der altbekannten Metalcore-Mischung. Breakdowns, groovige Passagen, tiefe Gitarrentunings und morbide Leadgitarren, sowie ein dynamischer Stimmeinsatz, lieferte eine markante Note ab. Doch es verstrich noch ein wenig mehr Zeit, bis man tatsächlich von einem Trend sprechen konnte.

Knapp ein Jahr darauf erschien mit der „No One Should Read This“ EP der Band TALLAH aus Pennsylvania ein Debüt, welches den Sound des Nu Metals mit Metalcore verbinden sollte und aufgrund dessen man nun definitiv von einem aufkeimenden neuen Genre sprechen konnte. Im Opener der EP „Kungan“ [Link] werden selbst Personen, die eher weniger mit den Urvätern des Nu Metal zu tun haben eindrucksvoll KORN und SLIPKNOT heraushören können. Angefangen beim Riffing, weiter über die Grooves und bis hin zu den facettenreichen Vocals, die sich sogar dem Scat-ähnlichem Gesangseinsatz von Jonathan Davis bedienen. Ein weiteres Beispiel für die Symbiose aus aktuellem Metal und Nu Metal wäre die Single „Shook“ der New Yorker Band SYLAR [Link]. Ganz im Stile von LIMP BIZKIT und ihres Songs „Nookie“ [Link] werden hier Rap und tiefes Tuning miteinander verbunden.

Tallah

Insbesondere die angesprochenen Bands TALLAH und TETRARCH haben mit ihren diesjährigen Veröffentlichungen den vollständigen Wandel zum NU CORE vollzogen und haben den anfänglich noch eher groben Stil weiter verfeinert. Inzwischen sind die Einflüsse noch deutlicher, besitzen jedoch eine merklich eigene Handschrift. Als Referenz hierfür seien die Singles „I’m Not Right“ von TETRARCH [Link] und „Overconfidence“ von TALLAH genannt [Link]. Ob sich dieser Trend nun weiter fortsetzt, bleibt abzuwarten. Feststeht jedoch, dass es immer wieder Künstler gibt, die die Grenzen sprengen und durch ihre Kreativität dem Metal neue Aspekte zuliefern. Das wird ganz sicher nicht jedem gefallen und es wäre auch langweilig, wenn dem so wäre. Zu guter Letzt ein gut gemeinter Rat an alle, die sich nun reihenweise aufgrund dieser Entwicklung maximal das Gesicht palmieren und nur zweifelnd den Kopf schütteln können, denkt immer daran: „It’s just one of these days…“

Ein Kommentar zu „Nu Core – Der nächste heiße Scheiss?

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