En Minor - CoverartworkGenre: Depressive Rock
Label: Season of Mist
Veröffentlichung: 04.09.2020
Bewertung: 7/10 (Sehr gut)

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Es ist schier unmöglich beim kreativen Output, den Phil Anselmo liefert, am Ball zu bleiben.
Inzwischen verewigte sich der in New Orleans, Lousiana ansässige Musiker bei zehn Bands und etlichen Studioalben, sowie EPs. Jetzt steht mit EN MINOR die elfte Truppe parat, mit der Herr Anselmo eine recht deutliche Kurskorrektur auf seiner musikalischen Reise einschlägt. Weg vom verzerrten Sound und mit deutlichem Abstand zum Metal im Allgemeinen. Die Grundsteine für EN MINOR liegen laut Phil bereits in seiner Kindheit.
Da er selbst zu ungeduldig war, Songs von anderen Künstlern zu lernen, schrieb er einfach direkt seine eigenen. Nachdem unter dem Namen BODY & BLOOD bereits diverse Songs geschrieben und aufgenommen wurden, moderten diese aber in der Mottenkiste vor sich hin. „Metalmusik fraß größtenteils unsere Zeit, sodass diese „B&B“-Sessions beinahe etwas Therapeutisches an sich hatten.“ – gibt Anselmo zu Protokoll. Im Jahr 2012 wurde aus den „Therapiesitzungen“ allerdings Ernst. Anselmo scharrte ein stabiles Lineup um sich und fokussierte die Produktion
der Songs. Unter anderem findet sich in der Band mit Jimmy Bower (Down, Eyehategod) ein alter Weggefährte Anselmos. Laut der Band findet man bei EN MINOR keine Partymusik, sondern vielmehr „Töte-die-Party-Musik“. Kippen und Rotwein raus, wir tauchen eine knappe dreiviertel Stunde in uns selbst ein.

„Mausoleums“ beginnt mit einer zarten und sehr klaren Akustikgitarre und der sehr basslastigen Stimme von Phil Anselmo. Die bedrückte Stimmung auf die hier gezielt wird, macht sich besonders durch die eingestreuten tiefen Streicher direkt breit. Ein kleinen düsteren Country-Vibe kann man hier nicht verschweigen. Wobei sich der Song gut in Melodie versteht und in sich recht stimmig ist.

Man kann sich super vorstellen, wie die einzelnen Musiker gemeinsam in einem Raum sitzen,
welcher nur schwach ausgeleuchtet ist und Rauchschwaden ihre Wege ziehen, während die perfekt zum jammen ausgelegten Stücke eine gänzlich eigene Dynamik entwickeln, die ideal ist, um sich darin zu verlieren oder gedanklich fortgetragen zu werden. Sicherlich liegt das auch an den vielen Wiederholungen der verschiedenen Parts, die automatisch eine hypnotische Wirkung erzeugt. Gut zu hören ist das in Stücken wie „Blue“ oder „Dead Can’t Dance“, in denen nur vereinzelt größere Melodien ausgepackt werden.

EN MINOR verneinen (zumindest akustisch) zu keinem Zeitpunkt, dass sich der Sound der Band
aus altem Blues, Blue Grass oder Folk zusammensetzt. Was durch die konsequente Umsetzung
ein deutliches Plus an Authentizität darstellt. Werden doch mal elektrische Instrumente benutzt,
wie beispielsweise in „On The Floor“, dann sinnvoll eingebunden und dennoch nicht übertrieben
präsent.

Wenn man tatsächlich kritische Worte finden will, so gelten diese den etwas zu hochfrequent eingesetzten und zu gleich klingenden Gesangsmelodien und der etwas zu oft eingesetzten Rhythmik. Macht euch einfach mal den Spaß und trinkt jedes Mal einen Kurzen, wenn EN MINOR einen dreiviertel Takt benutzen. Wen es bis zum Ende des Albums auf beiden Beinen hält, kriegt den imaginären Orden für „Besonders harte Leistung“ verliehen.

Allerdings finden sich nicht nur langsame Songs auf der Platte, sondern auch der eine oder andere schnellere Titel. „This Is Not Your Day“ wartet mit sphärischen Gitarren auf und schwenkt öfter ins Psychedelische ab, was dem Gesamtbild ziemlich zuträglich ist.

Wenn man dies aber als gegeben hinnimmt und darüber hinweghören kann, bekommt mit When The Cold Truth Has Worn It’s Miserable Welcome Out ein stimmiges Album, das, gemäß der Absicht der Band, frei und ungezwungen und durchaus kreativ klingt. Es ist spannend, Phil Anselmo in diesem Kontext zuzuhören und die anfänglichen Bedenken, dass jetzt hier viel Tam-Tam gemacht wird und am Ende etwas übrig bleibt, was gerne künstlerisch sein will, es aber nicht ist, konnten souverän vom Tisch gewischt werden, wie Glasränder auf der Saloon-Theke. Die wirklich große Offenbarung hat sich zwar auch nicht auf dem Silberling verloren, doch der Herbst hat einen guten Soundtrack gefunden.