Genre: Progressive Metal
Label: Inside Out Music
Veröffentlichung: 27.11.20
Bewertung: Sehr gut (7/10)
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Kinder wie die Zeit vergeht! Ist es wirklich bereits 20 Jahre her, dass die amerikanische Progressive Metal Institution DREAM THEATER ihr monumentales Werk Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory rausgehauen hat? Das Konzeptalbum aus dem Jahr 1999 ist in vielerlei Hinsicht ein absolutes Meisterwerk. Sowohl in Sachen Storytelling, als auch im Hinblick auf Songwriting wurde mit dem fünften Auswurf der Truppe um Gitarrengott John Petrucci eine Superlative nach der nächsten aufgestellt. Songs, die ineinander übergehen und sich konsequent gegenseitig aufgreifen? Check. Eine Geschichte, die mehrere Handlungsstränge und Zeitebenen hat? Check. Meisterliche Fertigkeiten und schier grenzenloses Ideenreichtum in der musikalischen Gestaltung? Doppelcheck. Wenn man in der heutigen Progressive Metal Welt von Alben spricht, die man gehört haben muss, dann führt kaum ein Weg an der Platte vorbei. Das Bemerkenswerte ist, dass sich das gesamte Album vom Song „Metropolis – Part I The Miracle and The Sleeper“ ableitet, welcher auf dem Zweitwerk der Band Images and Words zu finden ist. Aus der Idee heraus, man könne die dort begonnene Geschichte doch noch etwas ausbauen, wurde ein abertausende Male verkauftes Opus Magnum. Anlässlich des Albumjubiläums ließen es sich die Virtuosen nicht nehmen, das gesamte Album erneut in voller Länge darzubieten, neuere Stücke ihrer Diskographie mit ins Set zu flechten und darüber hinaus das Konzert, welches Ende Februar diesen Jahres in der Hammersmith Apollo Konzerthalle in London stattfand, zu filmen und aufzunehmen. Erhältlich ist das zweieinhalb stündige Dauerfeuer der Synapsen sowohl auf DVD, Blu-Ray, mehrfach LP und 3-CD Version. Somit ist für jeden ein Format dabei, welches ein vollständig abendfüllendes Programm sichert.
Im ersten Akt des Konzerts werden einige Perlen aus der etwas jüngeren Bandgeschichte eingestreut. So kann man sich über das 16 minütige „A Nightmare To Remember“ vom 2009er Werk Black Clouds & Silver Linings erfreuen, aber auch das immer wieder gern gehörte „In The Presence of Enemies“ vom neunten Studio-Output Systematic Chaos findet sich in der Setlist wieder. Besonders das letzte Album der Truppe Distance Over Time bekommt besonderes Augenmerk, weshalb direkt vier Songs der Platte abfeuert werden. Gerade „Barstool Warrior“ kommt im Livesetting richtig gut zur Geltung und erhält durch das prägnante Solospiel von Keyboarder Jordan Rudess und Gitarrist John Petrucci einen zusätzlich Layer an Epik. Der Sound des Konzerts lässt zudem kaum Wünsche übrig. Jedes Instrument ist zu jeder Zeit klar vernehmbar und die Drums klingen voll und rund. Gerade dahingehend gibt es ja bei Livemitschnitten des Öfteren Probleme, da die Schießbude tendenziell so klingt, als hätte man einen tollwütigen Fuchs in ein Kinderbällebad geworfen. Einzig der Gesang seitens des Fronters James LaBrie hätte etwas weniger Hall und dezent mehr Lautstärke gebraucht, da dieser hier klingt, als würde man ihm von außerhalb der Konzerthalle beim Singen zuhören. An dieser Stelle sei LaBrie auch nochmal in Schutz genommen. Viele Prog Metal Fans machen sich gerne einen Spaß daraus, den Sänger zu verunglimpfen und ihm nachzusagen, dass er an Qualität ziemlich eingebüßt hat, sowie allgemein in der Musik von DREAM THEATER eher stört, als wirklich der Sache zuträglich ist. Diese infamen Behauptungen möchte Ich entschieden zurückweisen, denn LaBrie liefert eine amtliche Performance ab und bereichert mit seinen Texten und Melodien den Kosmos der Band im beträchtlichen Maße. Abgesehen davon setzt die Leistung am Mikrofon voraus, dass man Strukturen, Taktwechsel etc. verstanden hat und umsetzen kann, was in dieser Komplexität keinesfalls selbstverständlich ist.
An der Umsetzung von Metropolis Pt. II – … gibt es indes absolut keine Kritik. Die Songs werden so frisch und locker runtergespielt und zelebriert, als wäre die Band gerade jetzt das erste Mal mit der Platte auf Tournee. Die Variationen innerhalb der Songs und die spontanen kleinen Abänderungen bringen interessante Farbtupfer mit und spätestens beim monströsen „The Dance of Eternity“ ist die Kinnlade am Boden festgetackert. Der Song ist wohl einer der irrwitzigsten, den die Band jemals geschrieben hat und wird trotz seiner 108 (!) Taktartwechsel super tight und spielerisch einwandfrei auf die Bühne gebracht. Ich meine, kommt schon Leute, wenn man selbst Hobbymusiker ist und derartiges hört, bringt es einen an den Rand der Kapitulation. Verspielt euch doch wenigstens ein einziges Mal, sodass man bemerkt, dass keine Außerirdischen oder Roboter am Werk sind!
Sicherlich ist Distant Memories Live in London keine Offenbarung in Sachen Livealbum, aber dennoch überzeugt das hier Gebotene auf ganzer Linie und weist keinerlei Mängel auf. Sauber produziert, atemberaubend gespielt und zusätzlich unter dem Dach des Jubiläums eines Ausnahmewerkes in Sachen Progressive Metal vereint haben DREAM THEATER eine würdige Zelebration abgeliefert. Während das Album noch ein weiteres Mal läuft, gehe ich in meine Musikecke und weine mich leise schluchzend in den Schlaf der mittelmäßigen Musiker. Schnief.