Genre: Experimental Psychedelic Black Metal/Ambient
Label: Ván Records
Veröffentlichung: 5.3.2021
Bewertung: Klasse (8/10)
Es ist jetzt nicht so, dass man bei Metal gleich an Belgien denkt. Auch wenn die Encyclopaedia Metallum 632 aktive Bands aus dem kleinen Nachbarland gelistet hat, fallen mir auf Anhieb nicht allzu viele ein, die groß in der Metalszene sind (Kennt jemand WIEGEDOOD?). Und wenn ich auf der Liste SADIST lese, dann denke ich auch eher an die Italiener. Nichtsdestotrotz ist WOLVENNEST eine Band, die ich schon länger auf dem Schirm habe. Auf dem fantastischen ACHERONTIC ARTS Festival sind mir die Belgier das erste Mal mit ihrem experimentellen Doom/Black Metal aufgefallen. Jetzt präsentieren sie ihr bereits drittes Album.
Quantität ist auf jeden Fall schon einmal vorhanden, kann man sich acht Songs anhören, die alle über sechseinhalb Minuten lang sind oder an der 12 Minuten Marke kratzen. Der erste Song Mantra beginnt auch ein bisschen wie ein solches und bietet einen sehr gemächlichen und leichten Einstieg in die Platte. Sofort fällt dann auf, dass das Schleppende und Atmosphärische hier Programm ist. Neben basslastigen Rhythmen dominieren meditierende Hintergrundgesänge und eine Art Sprechgesang einer zarten Damenstimme, unter die ein männliches Echo gelegt ist. Das Mantra Open the Gates klingt dabei nach einer klaren Bedrohung.
Swear to Fire bleibt im Atmosphärisch-Düsteren, präsentiert aber ein bisschen mehr Dampf auf den E-Gitarren, die vom Bass und dem besonnenen Schlagzeug begleitet werden. Die beschwörende Stimme der Sängerin führt ein in eine dampfige Höhle aus verworrenen Echos und Beschwörungen. Ich kann die Räucherstäbchen förmlich riechen. Der Bass umkreist dabei spielerisch den Gesang und bietet etwas Action.
Alecto blembelt erst ein bisschen vor sich hin, bevor das musikalische Geschehen hier an Fahrt aufnimmt. Soundtechnisch liegt die Platte im Mittelbereich auf der Garage-bis-Klinik-Skala. Im Klangteppich lassen sich doch alle Fitzel recht gut erkennen. Gesang ist in diesem Song eine Fehlanzeige, dafür spielt die Leadgitarre die erste Geige hier und erzählt uns eine träumerische Geschichte.
Incarnation spiegelt für mich am besten wieder, was wohl mit dem mythischen Coverart ausgedrückt werden soll. Dort ist eine Art ägyptische Gottheit mit zwei Wolfsköpfen zu sehen, die ein Feuer trägt und von Schlangen umgeben ist. Der schleppende, beschwörende, aber auch getragene Gesang passt gut zur prozessionshaften Atmosphäre des Stücks. Hier erinnert mich das Ganze extrem an die Berliner Experimentaler (DOLCH), natürlich auch wegen des Frauengesangs. Jetzt schon mein Lieblingssong auf dem Album, die Gitarren monoton, aber groovig, die Melodie nicht zu eintönig, aber eingängig.
Auf den Song Succubus war ich besonders gespannt, denn er bietet eine Kooperation mit dem Singer und Songwriter KING DUDE, der ja auch bei Ván Records unter Vertrag ist und dort seinen Okkult Rock zelebriert. Er steuert hier seine Tarantino-Stimme bei und verleiht dem Ganzen einen ganz anderen Anstrich. Jetzt klingt der Song nach einer härteren Version von KING DUDE’s Solowerken, die ja immer auch so einen Anklang an Nick Cave haben.
Disappear bleibt im gemütlichen Fahrwasser und wartet mit einer weiteren Vokalvariation auf, einer männlichen Stimme. Diese wurde auch chorartig bearbeitet und klingt getragen und feierlich. Dazu kommen jede Menge Geräuschspielereien im Hintergrund, die einen auf einen hochflorigen Klangteppich betten.
Alles in allem ist das Ganze natürlich nix für alle Mainstream Metaller, dazu bedient die Band eine viel zu kleine Nische. Wer aber an einem ruhigen, wolkigen Sonntagnachmittag mit einem Buch am schmutzigen Fenster sitzt, könnte sich getrost mal diese Platte auflegen. Geschmackssache bleiben die etwas in die Länge gezogenen meditativ-monotonen Intros und Outros, die ungeduldige Zeitgenossen wie mich etwas kirre machen können. Es bringt mich auch insgesamt nur zur Erkenntnis, dass belgischer Metal nicht wie belgische Schokolade mainstreamtauglich ist.