Burning Cross - Fall CoverartworkGenre: Black Metal
Label: Deister Records
Veröffentlichung: 01.12.2020
Bewertung: (sehr gut) 8/10

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Freie Kreativität, ohne sich anbiedern zu müssen oder in Muster zu verfallen, die bereits von Hunderten gezeichnet wurden. So lässt sich das Credo von BURNING CROSS aus Greifswald, im Nordosten des Landes, zusammenfassen. Seit 2007 gibt es die norddeutsche Schwarzmetall-Formation bereits und trotz allerlei Besetzungsrotationen konnten bislang zwei vollwertige Langspielplatten, eine EP sowie mehrere musikalische Ableger in Form von Compilations zusammengeschustert werden. Mit dem neuen dritten Output, welcher schlicht Fall getauft wurde, schickt sich der Fünfer an Black Metal zu zelebrieren, der sich auf das Wesentliche besinnt und seine Wurzeln nicht vergisst. Apropos „Muster die von anderen gezeichnet wurden“: Das Artwork des Albums bedient sich eines cleveren Tricks. Vier verschiedene Künstlerinnen ließen ihrer eigenen Imagination freien Lauf und brachten das zu Papier, was sie während des Hörens des Albums fühlten oder wahrnahmen und mit dem Gespielten assoziierten. Heraus kamen völlig unterschiedliche visuelle Abbildungen des Auditiven, was eine durchaus spannende Herangehensweise ist und möglicherweise darauf schließen lässt, dass Musik mit allen Sinnen wahrgenommen werden soll, statt stumpf aus der Hosentasche über die Kopfhörer vor sich hin zu dudeln. Ist die Platte jetzt eher ein Glücks-Fall oder ein Rein-Fall?

Ein orchestrales und theatralisches Intro begrüßt dann eine direkt beim Einstieg „Nazarene Nazis“. Um direkt alle getriggerten Personen wieder auf die normale Herzfrequenz zu holen: Nein, das ist kein politischer Kommentar, sondern ein Mittelfinger in Richtung Kirche mit all ihren menschenausgrenzenden Ideologien und Ansätzen. Überraschend ist der verhältnismäßig saubere und fast schon moderne Klang. Wer rumpeligen Garagen-Black Metal erwartet, wird hier zumindest nicht fündig, viel eher drücken die Instrumente ziemlich nach vorn. Besonders in den hektischen Blast Beat-Parts wird man von den Drums förmlich platt gedrückt.

Im anschließenden „Virus“ schleppt sich die musikalische Szenerie zunächst trügerisch langsam voran, bevor urplötzlich das Tempo angezogen wird. Der Gesang, welcher diesmal in Deutsch gehalten wurde, bewegt sich hauptsächlich im höheren Bereich des Krächzgesang, wobei zur Unterstützung hier und da ein paar tiefere Growls eingebaut wurden. Der Song atmet Verzweiflung und gibt die Kernaussage des Songs „Die Gesellschaft verändert mich nicht, der der verändert, das bin Ich.“ gut wieder. Die Gitarrenarbeit beschäftigt sich im Wesentlichen mit fiesen, gemeinen und teils dissonanten (keineswegs jazzy) Akkorden, die der Atmosphäre zugute kommen. Das Gefühl steht absolut im Vordergrund und zieht einen mit wabernden Tentakeln aus schwarzem Teer mit in den Styx. Der Song wehrt sich beinahe vehement dagegen, eine harmonische Auflösung abzuliefern und wirkt dadurch noch zusehends beklemmender.

„Kirkebrann“ konnte man bereits auf der Compilation Splitter hören, doch hat der Song es dieses Mal auf ein vollständiges Album geschafft. Mit der Zeile „Die dunklen Wälder in Norwegen…“ geht es lyrisch los. Warum mal zur Abwechslung niemand über die schönen Streuobstwiesen in der Schwäbischen Alb singt, wird mir ewig ein Rätsel sein. Nichtsdestotrotz schlägt der Titel in dieselbe musikalische Kerbe wie seine Vorgänger. Ausgedehnte Instrumentalpassagen, schiebende mit Doublebass verzierte Drums und durchgehend im Uptempo festgenagelt, wird dennoch ein stimmiges Bild mit reichlich Atmosphäre gezeichnet, das ins Knochenmark geht.

„Valkyrian Steel“ erhöht den Anteil der Growls und wartet mit einem coolen Mittelteil auf, der, zumindest für meine bescheidenen Verhältnisse, den Sound liefert, den ich vom Black Metal erwarte: Hundsgemeines Aufschichten von bitterbösen Terzen und eine Rhythmusarbeit, die genau diese Akzente in die Rübe drückt. Wenn man eine Sache beanstanden möchte, dann, dass die Growls im Gesamtklangbild etwas wenig Druck haben und zu sehr im Hintergrund versacken,. Hier wäre eventuell etwas mehr drin gewesen, um die Varianz der Vocals besser herauszuarbeiten und die maximale Power zu haben. Eine Gastsängerin hat sich ebenfalls in dem Song versteckt. Zoi von NOSTURAACK veredelt mit ihrer Stimme, die einem Kratzen von Fingernägeln auf einer Tafel gleichen (absolut positiv gemeint!) die englischen Parts.

Interessant ist, dass trotz der relativ gleichen Formeln der Songs so schnell keine Ermüdung auftritt. Dies wird einerseits durch gekonnte Rhythmus- oder Akkordwechsel erreicht, die genau dann einsetzen, bevor der jeweilige Part zu langatmig wird. Dies wiederum zeugt von gutem Songwriting, ebenfalls eine Sache, die BURNING CROSS so einigen Underground-Black Metal Bands durch diverse clevere Kniffe „David gegen Goliath“-mäßig voraus haben. Gut nachzuhören ist dies in „Close This World“ oder „Self Exploring The Eight Stages of Consciousness Through Nihilisitc Coma“, dessen Titelnamen ich aufgrund der absichtlichen Länge wiederholt verwenden möchte. „Self Exploring The Eight Stages of Consciousness Through Nihilisitc Coma“ geht in Sachen Vocals und Dissonanz noch einmal einen Schritt weiter als die restlichen Songs. Während die Doublebass in „Self Exploring The Eight Stages of Consciousness Through Nihilisitc Coma“ akzentuiert eingesetzt wird, weben die Gitarren in „Self Exploring The Eight Stages of Consciousness Through Nihilisitc Coma“ einen sich hin und her windenden Teppich, wobei man im Refrain (sofern man von so etwas wie einem klassischen Refrain überhaupt sprechen kann) gerne seine Pullmoll Dropse zücken möchte, bevor Sänger Warmachine vollends seine Stimmbänder um das Mikrofon wickeln kann, so gifitig wird hier gekeift.

Als Fazit kann man festhalten, dass BURNING CROSS hier eine stramme Leistung abgeliefert haben, die durchaus ohne Vergleiche mit anderen Künstlern auskommt. Die Mischung aus atmosphärischen Parts, martialischen Doublebass-Massakern von Drummer Steel Commander und dem einen oder anderen Schielen in Richtung Death Metal macht in Kombination mit der passenden Produktion eine runde Sache aus dem Album. Zwar neigt die Band an der einen oder anderen Stelle dazu, sich selbst zu wiederholen, kann dies aber mit strukturellen Stärken ausgleichen. Außerdem will ich beim Black-Metal-Hören keine Farbanalysen von Gemälden von Van Gogh machen, sondern mich in Agonie und unangenehmen Nihilismus aalen und alles und jeden hassen dürfen, wie Charlie die Mörderpuppe, und genau das bekommt man hier auch.