Genre: Black Metal/Speed Metal
Label: Iron Bonehead Production
Veröffentlichung: 19.03.2021
Bewertung: Gut (6/10)
Bandcamp
Etwas über REAPER aus Schweden in Erfahrung zu bringen ist in etwa so schwierig wie einen Airbus in einer PKW-Garage zu parken. Bekannt ist das „The Atonality of Flesh“ zwei Jahre später dem Debütalbum „Unholy Nordic Noise“ folgt, welches ebenfalls bei Iron Bonehead Productions erschien. Hinter der Band steht das Duo aus Drummer Duca The Impaler und Gitarrist Ityphallic Flaggelator, welche sich ebenfalls den Bass teilen. Folgt man dem bisherigen Auftauchen der Band stellt man fest, dass die Meinungen auseinandergehen wie Scherenblätter. Die einen feiern den rohen und direkten reudigen Sound durchweg ab und die anderen empfinden beim Genuss der Musik kaum mehr als Brechreiz. Geschmäcker sind verschieden, darüber streiten kann man trotzdem. Scheinbar versteht sich die Band gut darin die Menschen vor den Kopf zu stoßen, egal ob bewusst oder unbewusst. Doch genau darin liegt gewissermaßen auch die Kunst: Dinge anders machen. Mit insgesamt elf Songs plus Intro und Outro geht die Platte nach etwas über 37 Minuten ins Ziel. Macht im Durchschnitt zwischen drei und dreieinhalb Minuten pro Song, was ebenfalls darauf schließen lässt, dass sich hier kaum mit Kleinigkeiten aufgehalten wird. „The Atonality of Flesh“ erschien ebenfalls als schmucke und auf 300 Stück limitierte Vinyl, was den Kultfaktor durchaus erhöht. Schnell noch ein paar Anarcho-Schmierereien an die Wand gemalt, jetzt wird es chaotisch.
Ein düsteres und theatralisches Intro bereitet den Weg für den ersten Song „Dogs of The Crumbled Firmament“ vor und dieser marschiert auch unmittelbar schön oldschoolig los. Die Gitarren klingen wie eine Mischung aus Kreissäge und statischem Rauschen und die Drums könnten glatt aus den achtziger Jahren entsprungen sein. Der typische Krächzgesang liegt irgendwo halb unter den Instrumenten verbuddelt, passt aber genau ins Bild. Man fühlt sich dezent an frühere Werke von Bathory erinnert, in denen die Musiker noch wesentlich ungestümer an die Sache gingen, als bei späteren Alben. Wäre die Stimme von Sänger Ityphallic etwas tiefer würde „The Sweetness of The Wound“ direkt als Celtic Frost durchgehen, da auch dort vergleichbar roh geholzt wurde. Besonders der punkige Charme, der sich mit einer morbiden Melodieführung vereint findet Gefallen.
Regelrecht rockig wird es bei „Come Nature, Come Cruelty, Come Death“. Etwas grooviger und weniger mit der archetypischen Black Metal Kolibri-Gitarre bewaffnet schunkelt der Song sich schön voran. Im Refrain zerbersten einem zwar die Becken der Drums fast das Trommelfell, aber das geht klar. Im Soloteil gesellt sich ein dezenter Hauch von Eau de Heavy Metal ins Bouquet bevor der Song abrupt abgebrochen wird. „Raid The Heavens“ hingegen ist wesentlich raubeiniger. Der Song scheppert ungebremst vorwärts und macht Bock auf eine kleine energetische Clubshow mit viel Dezibel und Bewegungsdrang. Leider ist auch hier im Refrain einfach zu viel los und die (bewusst) nicht ausbalancierte Lautstärke der einzelnen Komponenten steht dem ansonsten coolen Mitgröhl-Chorus eher im Weg, als ihm zu dienen.
Etwas für die „Trve-Fraktion“ findet man bei „Architecture of The Flame“. Schnell bolzende Drums die jedes Schild mit Tempobegrenzung einfach ummähen und schön intensives Geschrei mit blasphemischer Message. Hier geht es einzig und allein darum das Energielevel am oberen Limit fest zu tackern. Besonders schön sind die kleineren Verspieler, die bei jeder anderen Band störend wären, aber hier, ob der brachialen Gewalt an den Instrumenten, stimmig sind. Je weiter man in das Album eintaucht, desto direkter werden die Songs. „Me, You and The Juices of Death“ schlägt in dieselbe Kerbe wie zuvor „Architecture of The Flame“. Allgemein kann man sich fragen ob die Musiker, bevor sie die Aufnahmen gemacht haben, entweder gegenseitig Reißzwecken unter die Fingernägel getrieben haben oder es eher eine Mischung aus schwedischem Pils und psychotropen Stimulanzien ist, die hier die Oberhand haben. Vielleicht sind die Bandmitglieder aber auch einfach nur wütend und müssen diese Aggressionsprobleme bannen, bevor sie in der schwedischen Waldlandschaft Amok laufen und moosbedeckte Steine zornig gegen Nordmanntannen werfen. Man weiß es nicht.
Ob man jetzt Instrumentals wie „Nightgaunts“ oder „Saturn Devours“ in diesem Kontext braucht sei mal dahingestellt. Einen wirklichen Mehrwert im haben die Songs auf das gesamte Album nämlich nicht. Doch was ist das? „Piss, Bile and Violence“ ist mit etwas über sechs Minuten das längste Stück. Bedeutet das, dass man hier ein vielschichtiges Opus mit verschachtelten Strukturen erwarten kann und der Klangkosmos von REAPER völlig überraschend erweitert wird? Lange Frage, kurze Antwort: Nö. Es wird über die Länge des Songs genauso weiter geackert wie auch zuvor. Bloß länger.
„The Atonality of Flesh“ ist ein schön nischiges Album, was Freunde bei Bands der älteren Schule ansprechen sollte, aber auch Fans von Musik wie Wömit Angel, Impaled Nazarene oder ähnlichen Chaos-Trupps. Die Platte klingt so wie sie sein muss, denn eine Hochglanzproduktion würde dem Material völlig des Charmes berauben. Die Songs unterscheiden sich untereinander nur marginal voneinander, aber dieser „Makel“ fällt auch eher weniger ins Gewicht. Kurzum: Coole Platte, aber kein Meilenstein.