Jeder hat einen unterschiedlichen Zugang zu Black Sabbath: Bei den einen sind es die klassischen Ozzy-Alben der 70er, bei den anderen die Dio-Alben der 80er oder sogar Alben aus der Tony Martin-Ära in den später 80ern und frühen 90ern. Selbst bei alteingesessenen Fans der britischen Urväter des Heavy Metals existieren religionskriegsartige Zustände, sobald die Debatte aufflammt, welcher der Sänger in der Historie der Band nun der einzig Wahre ist. Der Fokus wird in dieser Diskussion auf die zwei erfolgreichsten Sänger gelegt: Ozzy und Dio, zwei Ausnahmekünstler, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die Diskussion wird zwischen Marko und Philipp geführt.
Philipp: Ein nennenswertes Merkmal, das Ozzy ausmacht, ist sein Image. Dabei geht es nicht nur um sein Auftreten in der Öffentlichkeit, sondern auch um sein Auftreten auf der Bühne. Ozzy ist einfach ein Grenzgänger und kommt in Interviews immer extrem sympathisch und witzig rüber (siehe hier). Auf der Bühne steht er immer im Mittelpunkt, heizt die Stimmung der Zuschauer mit seinen Zwischenrufen auf, interagiert mit ihnen und hüpfte zu seinen besten Zeiten bei BLACK SABBATH quer über die ganze Stage. Im Jahr 1982 biss er einer lebendigen Fledermaus auf der Bühne sogar den Kopf ab, wobei er dachte, dass es sich um ein Spielzeug handelte. Die besondere Verbindung zu den Zuschauern auf der Bühne macht ihn seither zum Publikumsliebling. An Popularität gewann Ozzy vor allem durch die Fernsehsendung „The Osbournes„, in der das Familienleben jahrelang begleitet wurde.

Marko: Genau da haben wir ja das Problem. Ozzy ist zwar definitiv ein unterhaltsames Kerlchen und nicht zu unrecht eine der legendärsten Figuren im Heavy Metal Kosmos, jedoch bedarf es in diesem Metier einer Sache, bei der Ozzy leider nie mithalten konnte und diese Sache ist: Die Stimme. Ronnie James Dio gilt ohne wenn und aber als DIE Stimme des Heavy Metal, mit unzähligen Nachahmern und Anhängern. Durch seinen theatralischen und unfassbaren kraftvollen Gesang gelang es Dio, ohne cheesy zu wirken, seine von kryptischer Doppeldeutigkeit durchzogenen Fantasytexte derart gut zu positionieren, dass man selbst heute noch, 41 Jahre nach Erscheinen von „Heaven And Hell“ (1980), „Neon Knights“ mit voller Inbrunst mitgröhlen kann, obwohl man keine Ahnung hat worum es eigentlich geht. Ozzy ist in Sachen Gesangsperformance da eher weit hinter Dio, da es schlussendlich um die Musik geht.

Philipp: Dem schließe ich mich nicht ganz an, denn Ozzy hat eine bemerkenswerte Vocal Range vorzuweisen, welche beispielsweise im Song „Sabbath Bloody Sabbath“ auf brilliante Art und Weise zum Vorschein kommt. Zudem ist Ozzys Stimme perfekt auf die schweren Riffs von Tony Iommi, den Basslines von Geezer Butler und den Drums von Bill Ward abgestimmt. Ozzy singt die Songmelodien von Sabbath förmlich mit, ein gutes Beispiel dafür ist „Iron Man“, und genau das macht seine Stimme so einmalig, sie passt sich der gegebenen Situation optimal an. BLACK SABBATH und Ozzy passen einfach wie die Faust aufs Auge – noch dazu kann sich Ozzy Mitbegründer und erster Sänger einer der wichtigsten Bands der Metalgeschichte nennen.

Marko: Dass Ozzy so ziemlich der erste Frontmann einer Metalband war kann man ihm nicht absprechen, jedoch darf man nicht vergessen das „der Erste“ sein kein unbedingtes Gütesiegel ist und Dio sehr wohl in der Lage war, Ozzys Nummern zu singen, es andersherum jedoch wohl außerhalb des Möglichen liegt, dass Ozzy Songs von Dio zum Besten geben kann. Eine Sache, die das Erbe von Dio relativ unantastbar macht, ist der Fakt das es bei Dio beispielsweise keinerlei „Rufschädigung“ gab. Es gab keine Skandale, Exzesse oder sonstige Mythen um ihn als Person. Einzig seine musikalische Leistung hat ihn in den Olymp gehoben. Bei Ozzy ist die Liste der Fehltritte und an Peinlichkeit grenzenden medialen Auftritte ziemlich lang. Allen voran „The Osbournes“, was eines der schlimmsten Reality-Formate seit Erfindung des Musikfernsehens sein sollte.

Philipp: Natürlich hat es nicht immer etwas zu bedeuten, wenn man der erste Sänger einer Band ist. In diesem Fall muss man aber auch als Dio-Fan eingestehen, dass zwischen den beiden Ären ein ganz klarer Strich zu ziehen ist. BLACK SABBATH haben in den Jahren von 1970 bis 1978 den Heavy Metal auf ihre Art erfunden und stetig weiterentwickelt, und da hat Ozzy mit seiner unverkennbaren Stimme auch einen großen Beitrag geleistet. Wo würde der Heavy Metal heute stehen, wenn es Alben wie „Master Of Reality“ (1971), dem unterschätzten Werk „Vol.4“ (1972) oder „Sabbath Bloody Sabbath“ (1973) nicht gegeben hätte. Natürlich ist „Heaven and Hell“ (1980) eine Hammer-Scheibe, war aber zu der Zeit nichts mehr Revolutionäres, es gab genügend Bands, wie zum Beispiel JUDAS PRIEST, die zu der Zeit bereits mehrere Alben mit härterem Ton veröffentlicht hatten. In diversen Interviews haben die ursprünglichen Bandmitglieder Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward öfters erwähnt, dass Ozzy immer ein sehr gutes Gespür für den passenden Text zu einer Songmelodie hatte, beispielsweise „Planet Caravan“ (Anmerkung von Geezer Butler in einem Interview: „A good song to get stoned to“). Ozzy beweist unter anderem in dem Song „The Wizard“ vom Debütalbum, dass er das Spielen der Mundharmonika ebenfalls beherrscht, ein Multitalent also :).

Marko: Ozzy gab vielleicht dem Heavy Metal seine Form, doch Dio gab ihm Farbe. Die tonnenschweren Riffs von Tony Iommi greifen bei Dios Stimme weit besser zu und sind wesentlich heavier als zu Ozzys Zeiten, wo zwar Ansätze von Metal hörbar sind, jedoch noch vorrangig Hard Rock vernehmbar war. JUDAS PRIEST haben zwar ganz richtig ebenfalls bereits um die 80er Jahre herum härteren Stoff gespielt, allerdings fehlte dort noch streckenweise die Erhabenheit, und die majestätische Attitüde. Bereits vor seiner Karriere bei BLACK SABBATH hat Dio bspw. bei seiner Vorgängerband ELF oder später bei RAINBOW gehörig die Köpfe rotieren lassen, da man eine derartige Stimmgewalt in dieser Form noch nicht gehört hatte. Zusätzlich gilt Dio als Erfinder der Pommesgabel. Inwiefern dies der Wahrheit entspricht steht auf einem anderen Blatt, jedoch wird die allgemein bekannte Geste auf ewig mit ihm in Verbindung gebracht werden. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Ronnie James Dio lediglich an drei Alben der Briten beteiligt war und es geschafft hat, damit eine unsterbliche Spur zu hinterlassen. Allein die zweite Strophe des Songs „Turn Up The Night“ (welcher viel zu oft unter den Tisch fällt) vom Album „Mob Rules“ (1981) sorgt jedes Mal für Gänsehaut. Ozzys Stimme hat mir zumindest noch nie aufgrund ihrer Brillanz in Sachen Intonation und Melodieführung einen Schauer über den Rücken gejagt.

Philipp: Auch Ozzy Osbourne hatte neben BLACK SABBATH eine nicht ganz unerfolgreiche Solokarriere und präsentierte der Welt stets neue Musiktalente, die gemeinsam mit ihm Alben aufnahmen, hier sollten vor allem die beiden Gitarristen Randy Rhoads oder Zakk Wylde erwähnt werden. Auch Robert Trujillo, der seit 2003 zur fixen Besetzung von METALLICA zählt, sollte nicht unerwähnt bleiben, schließlich war er in den späten 90ern und frühen 2000ern Bassist bei Ozzy Osbourne. Ein weiterer Meilenstein in Ozzys Karriere war das „auf die Beine stellen“ des „Ozzfest“ im Jahre 1996 (im Grunde genommen war es Sharon Osbourne, seine Frau, die das Festival auf die Beine stellte, trotzdem wurde es nach ihm benannt). Dank diesem Festival wurden Bands wie SLIPKNOT oder SYSTEM OF A DOWN weltberühmt. Das war also ein weiterer positiver Beitrag zu der metallischen Musikbewegung.
Sowohl Dio als auch Ozzy waren für BLACK SABBATH sehr wichtige Sänger und haben auf ihre Art und Weise für einen Fortschritt innerhalb der Band gesorgt. Dass Ozzys doch spezielle Vocals nicht Jedermanns Sache sind kann ich auch verstehen. Neben Ozzy und Dio gibt es allerdings auch Fans, die auf die Vocals eines berüchtigten Ian Gillan (das dazugehörige Album: „Born Again“, 1983) oder Tony Martin (hier gibt es eine Reihe von Alben, die in den Jahren 1987 bis 1995 veröffentlicht wurden) schwören. Auch ein gewisser Glenn Hughes, unter anderem bekannt für seine Tätigkeit bei DEEP PURPLE, hat für das Album „Seventh Star“ (1986) den Vocal-Part übernommen.
Jeder hat seinen Lieblingsänger, so soll es sein :).