989_LOTL_OFFICIAL_RGBGenre: Dark Wave Metal
Label: Napalm Records
Veröffentlichung: 02.07.2021
Bewertung: Bombe (9/10)

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Nach dem vielgelobten Thornstar präsentieren LORD OF THE LOST nun ihr siebtes Werk Judas. Ein großer Name und ein dementsprechend großes Album wie es scheint, denn die Band hat gleich zwei CDs mit je zwölf Songs zusammengestellt. Beeindruckender wird das Ganze, wenn man feststellt, dass es sich bei den Tracks um vollwertige Lieder handelt und keines davon ein Interludium oder dergleichen ist. Dementsprechend gibt es hier viel zu entpacken.

Thematisch bzw. lyrisch wird sich hier also mit der Figur des Judas auseinandergesetzt und auf zweierlei Weise betrachtet. Dies lässt sich in den Titeln der Albumhälften (Damnation und Salvation) nachvollziehen. Während Judas bekanntlich negativ in den meisten Diskursen dargestellt wird, gibt es auch eine andere, weitaus positivere Perspektive, die inhaltlich auf dem zweiten Teil des Albums zu finden ist. Wobei das Thema nur ein übergeordneter Rahmen des Albums ist und keinesfalls eine historische Abhandlung, wie die Band sagt.

Den Anfang macht der Brecher „Priest“, der mit treibenden Trommeln, der markanten Stimme von Chris Harms und dann auch den wuchtigen Gitarren einsetzt, sodass man es hier mit einem ziemlichen harten Einstieg zu tun hat. Sowohl diese Härte als auch die düstere Atmosphäre zieht sich durch die erste Hälfte des Album, mal mehr mal weniger, aber immer vorhanden. Im darauffolgenden „For They Know Not What They Do“ geht es immer noch ordentlich zur Sache, aber es wird mehr der sakrale Charakter gezeigt, der diesem Album anhaftet. Es wird mehr mit Melodien und Chorelementen gespielt.

Neben den Chören sind die klassischen Instrumente, die sich nahtlos in die Kompositionen einfügen, ein weiteres Highlight auf Judas. LORD OF THE LOST spielen hier gekonnt mit verschiedenen musikalischen Ansätzen und wissen genau, wie man sie am besten zu einer wohlklingenden und spannenden Einheit zusammenfügt.

Mit „The 13th“ werden die etwas langsamen, tragenden Songs eingeläutet. Auch mit dem nachfolgenden „In the Field of Blood“ wird klar, dass man die Lieder dem lyrischen Inhalt angenähert hat. So bekommt man auch ein klanglich facettenreiches Bild vom Thema. Die Tempowechsel und die Vielfalt an Melodien machen das verarbeitete Thema lebendig und nehmen den Hörer auf eine Reise mit.

‚Damnation‘ findet mit dem sphärischen „The Death of All Colours“ einen monumentalen Abschluss, der den sakralen Charakter besonders hervorhebt. Der erste Teil des Albums hat viel zu bieten und hätte als Album bereits ausgereicht, doch LORD OF THE LOST hatten wohl einen guten Lauf, denn Teil 2 wartet auf den Hörer. ‚Salvation‘ wird von „The Gospel of Judas“ eröffnet – ein Lied, welches sich mit Ausgrenzung aufgrund von Religion, Hautfarbe, sexueller Orientierung, etc. auseinandersetzt. Die Band hat nie einen Hehl daraus gemacht, welche politischen und sozialen Ansichten sie haben, somit ist es nicht verwunderlich, dass auch auf diesem Album ein Song zu dem Thema zu finden ist.

Es folgt „Viva Vendetta“, ein richtiger Stampfer, der vielleicht nicht zu den stärksten Songs auf dem Werk gehört, aber sicherlich live sehr gut ankommen wird. Ein persönliches Highlight für mich ist „Argent“, das mit ethnisch inspiriertem Gesang beginnt, der den Hörer sofort in die östlichen Mittelmeergebiete in der Antike versetzt. Ein wenig unerwartet, aber logisch, wenn man sich mit der Figur des Judas beschäftigt.

„My Constellation“ bringt Chris Harms Stimme besonders gut zur Geltung, obwohl man sagen muss, dass er ohnehin durch die Bank weg einen großartigen Job macht und seine gesanglichen Fähigkeiten unter Beweis stellt. Außerdem steht dieser Song klanglich am deutlichsten für die Goth/Dark Wave-Seite der Band. „Iskarioth“ hingegen bietet satte, drückende Drums und stellenweise röhrende Gitarren. Doch all den wuchtigen Momenten zum Trotz kommt man nicht drum herum festzustellen, dass ‚Salvation‘ doch insgesamt positiver, hoffnungsvoller klingt als ‚Damnation‘ – es ist also nicht nur inhaltlich ein Unterschied zwischen den Albumhälften hörbar. Der zweite Teil endet mit einer weiteren, melancholischen Ballade. Es fühlt sich an wie der Schlussteil eines Filmsoundtracks, denn das Album klingt nicht nur episch, sondern auch cineastisch – Kopfkino inklusive.

LORD OF THE LOST haben hier wirklich ein großes Stück hochwertige Musik kreiert, die neue Facetten der Band und die Weiterentwicklung ihres Sounds zeigt. Sie haben es geschafft, ein Album voller Abwechslung und spannenden Momenten zu komponieren, ohne das es große Ausfälle bei den Songs gibt. Judas lässt Genrebegrenzungen definitiv hinter sich. Auch die Qualität der Produktion ist absolut hochwertig. Einige Lieder sind stärker als andere, aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau. Alles in allem kann man sagen, dass sich die Jungs selbst übertroffen haben.