Genre: Black Metal
Label: Season of Mist
Veröffentlichung: 07.05.2021
Bewertung: Klasse (8/10)
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Kontinuierlich und unerbitterlich verlief die Route der französischen Black Metaller von SETH. Als eine der ersten Bands, auf dem ebenfalls französischen Label Season of Mist, veröffentlichte die Band 1998 ihr Debütalbum Les Blessures de L’Ame und rüttelte den Extremsektor in ihrer Heimat kräftig durch. Seither erschienen weitere vier Alben, diverse Splits und auch Tourneen durch Europa und Kanada konnte man stolz verbuchen. Mit La Morsure de Christ erschien am 07.05.2021 ein weiterer Meilenstein in der Historie der Truppe. Bis auf Drummer Alsvid und Gitarrist Heimoth sind sämtliche Positionen innerhalb der Band neu besetzt worden und bislang noch auf keinem Langspieler verewigt. Heimoth kennen manchen unter Umständen von der internationalen Truppe Sinsaenum, in der, neben anderen, Joey Jordison bis zu seinem Tod aktiv war. In SETH wiederum regiert ein deutlich kälterer Wind und messerscharfer Black Metal wird geboten. Auf dem Albumcover zu sehen ist die weltberühmte Notre Dame Kathedrale in Paris, welche 2019 durch einen verheerenden Brand massiv beschädigt wurde. Alles nur edgy fancy Kram oder besitzt die Platte gemäß des Titels den nötigen Biss?
Begonnen mit dem Titelstück des Albums wird auch direkt die Route abgesteckt, auf der sich SETH bewegen. Hohes Tempo, sägende Gitarren und ein schöner Oldschool-Klang, der dennoch zeitgemäß daherkommt. Die Tempowechsel verleihen, in Kombination mit den Melodiefragmenten und Keys, dem Song eine coole Dynamik. Unstrittig ist definitiv das hohe Level an den Instrumenten. Drummer Alsvid agiert komplex und sehr melodisch, während die Saitenfraktion eine schwarze Teerschicht über die andere türmt. Auftakt nach Maß!
„Métal Noir“ ist der kürzeste Track der Scheibe und startet, statt mit Highspeed, gediegen und betont eingängig. Beinahe schon hoffnungsvolle Harmonien vermischen sich, bevor dann doch noch das Gaspedal durchgedrückt wird und ein Blastbeat abgefeuert wird, der einem Maschinengewehr gleicht. Die großen Melodiebögen und offenen Flächen, auf denen sich Sänger Sanit Vincent austobt, machen eine sehr gute Figur, in der man förmlich versinken kann. Ähnliches bieten, unter anderem, auch die Schotten von Saor, die auch auf das probate Mittel der Atmosphäre setzen.
Angekommen im nächsten Kreis der Hölle begrüßt einen mit „Sacrifice de Sang“ ein eher düsterer Brocken, der im Vergleich klaustrophobischer beschaffen ist. Im hinteren Teil des Songs erwartet den Hörer ein ziemlich furioses Finale, welches mit rituellem Gesang eingeleitet wird. Noch mehr nach Blasphemie kann Black Metal wohl nicht klingen, da über allem ein gewisser sakraler Charakter hängt, welcher der Musik zusätzlich Ausdrucksstärke hinzufügt.
Mit „Ex-Cathédrale“ setzen SETH die Reise ins Reich des Gehörnten immer weiter fort und fügen neben den bereits etablierten Atmo-Parts noch etwas mehr Finesse hinzu. Der Song ist zwar durchweg gradlinig, allerdings bietet er auch kleinere Kniffe in Sachen Songwriting die dafür sorgen, dass sich das Konstrukt von der grauen Masse an Black Metal Songs abhebt und nicht eintönig wird. Ein Beispiel hierfür ist der Mittelteil, in dem die wilde Raserei gekonnt aufgefangen wird und sogar eine akustische Gitarre im Hintergrund mitmischt.
„Hymne au Vampyre (Acte III)“ stellt indes den dritten Teil der Songreihe dar, die auf dem Debüt der Band begonnen wurde. An sich eine coole Idee den Bogen zur Vergangenheit in dieser Form zu spannen. Was jetzt die Songs allerdings, bis auf den Titel, gemeinsam haben, kann die Band an dieser Stelle wohl besser beantworten.
Falls dem einen oder anderen das Spiel „Blasphemous“ etwas sagt, hat derjenige eine gute Vorstellung wie „Les Océans du Vide“ klingt. Brutal, düster, dennoch energetisch, ketzerisch und atmosphärisch. Über allem thront das durchgehende Geschepper der Drums und das erbarmungslose Riffing. Gerade in der Songmitte liefern die Vocals eine passende Performance in Sachen Verzweiflung, welche ziemlich authentisch klingt.
Das finale „Le Triomphe de Lucifer“ geht abermals kompromisslos zu Werke und lässt den Orgelklang der Keys initial für einen passenden Aufbau sorgen, bevor vor dem geistigen Auge die größten Kathedralen bei Blitz, Donner und Feuer zu grabe getragen werden und fulminant in sich zusammenstürzen.
Nicht das SETH mit La Morsure de Christ das böseste Album aller Zeiten geschrieben hätten, aber die Häresie trieft merkbar aus allen Ecken. Während sich andere Bands eher durchweg mit hohem Tempo und aufgesetzter Aggression versuchen, bietet SETH eine Klangästhetik, die dem Kern der Sache, also dem Ablehnen des christlichen Glaubens und dem Wunsch nach seinem Untergang, wohl deutlich näher kommt, als es viele vergleichbare Bands je könnten. Durch die gut durchdachten Strukturen und die präzise Instrumentierung kommt keinerlei Langeweile auf und macht La Morsure de Christ zu einem der abwechslungsreichsten Black Metal Alben, die bislang dieses Jahr erschienen sind. Musik, die man besser nicht im Vatikan oder in der Nähe einer Kirche hören sollte. Großes Tennis!