
Frank Zappa sagte einst: „Der Rock ist nicht tot, er riecht nur komisch.“. Doch über diesen Punkt sind wir inzwischen lange hinweg, Die Rockmusik ist von uns gegangen und Nichts und Niemand kann etwas daran ändern.
Es ist noch gar nicht lange her, da musste die Welt der Gitarrenmusik den Tod von Gitarrenlegende Eddie Van Halen beklagen. Der Musiker verstarb im Alter von 65 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls und hinterlässt ein schier unglaubliches Erbe. Im Jahre 1978 revolutionierte der Gitarrist mit dem Stück „Eruption“ (enthalten auf dem Album Van Halen) quasi im Alleingang das Gitarrenspiel mit dem Tapping (Link). Einer Technik, bei der beide Hände des Spielenden dafür zuständig sind, den Saiten melodischen Kontext zu entlocken, und mit der halsbrecherische Tempi möglich sind. Von jetzt auf gleich veränderte sich die Herangehensweise ans Solieren, da nun jeder versuchte Vergleichbares wie Eddie umzusetzen. Heutzutage gehört das Tapping zum Standardrepertoire jedes halbwegs versierten Saiten-Musikers und ist nicht mehr wegzudenken. Bands wie Beyond Creation, Dying Fetus oder Gojira, um nur einige Beispiele aus dem Metalzirkus zu nennen, ziehen exzessiv einen Nutzen aus der Technik, die Mister Van Halen erst so richtig populär gemacht hat. Darüber hinaus war Eddie Van Halen ein begnadeter Songwriter, herzensguter Mensch und für jeden Spaß zu haben (Link). Kein Wunder also, dass Eddie Van Halen im Rahmen der letzten Grammy Verleihung, die am 14.03. stattfand, geehrt wurde. Doch genau an dieser „Ehrung“ kann man sehen, dass Rockmusik und alle Unterarten, die sie mit sich bringt, keine relevante Rolle mehr spielt.
Während der Preisverleihung – der höchsten Auszeichnung im Bereich der Popularmusik – gehört es alljährlich dazu, eine „In Memoriam“ Rubrik abzuhalten, in der verstorbenen Musikern Tribut gezollt wird. Das ist durchaus eine noble Sache, denn ohne Musiker keine Preisverleihung. Doch die Grammy Awards speisten einen Revolutionär wie Eddie Van Halen lediglich mit einem 15 Sekunden langen Clip ab (Link). Der Sohn des verstorbenen Gitarreros, Wolfgang Van Halen, wurde zwar im Voraus gefragt, ob er das legendäre Gitarrensolo auf dem Instrument seines Vaters darbieten könne, doch lehnte dieser aus Respekt ab (Link). Stattdessen wurde ein liebloses „Andenken“ in Szene gesetzt, was zurecht für Unverständnis sorgte. Die Frage drängt sich auf, ob Gitarrenkunst überhaupt noch etwas wert ist und der Rock nicht inzwischen vollends zum Erliegen gekommen ist, in Anbetracht der schieren Übermacht an künstlich generierter Musik, welche derart plastikartig ist, dass man sie theoretisch in gelben Säcken verkaufen müsste.
Wenn man sich die letzten Jahre ansieht, fällt auf, dass die Gitarristen, die neue Wege beschritten haben und dadurch auf sich aufmerksam machen konnten, hauptsächlich aus dem Metal kommen. Sei es Misha Mansoor mit Periphery, Tosin Abasi mit Animals As Leaders oder Jason Richardson. Alle kommen aus der härteren Gitarrenmusik und veröffentlichen fortlaufend großartige Musik, welche die Grenzen des Machbaren immer weiter vor sich herschieben. Schaut man im Vergleich dazu in die Rockmusik, wird es schwierig jemanden zu benennen. Sicherlich gibt es noch richtige Rockstars (ein Begriff der seine rebellische Bedeutung gänzlich verloren hat) wie Dave Grohl (Foo Fighters) oder Josh Hommé (Queens of The Stone Age), welche fantastische Alben geschrieben haben, jedoch liegen die Glanztaten dieser Musiker bereits sehr lange zurück. Die Foo Fighters haben das letzte, wirklich gute Album Echoes, Silence, Patience & Grace vor inzwischen 14 Jahren veröffentlicht und auch Lullabies to Paralyze von Queens of The Stone Age erschien vor 16 Jahren. Zwischenzeitlich erlebte zwar der klassische Hard Rock mit Greta Van Fleet ein kurzes Revival, doch auch dieses ist inzwischen wieder vorbei, und das obwohl die blutjunge Band direkt einen der weiter oben angesprochenen Grammys abräumen konnte.
Ganz klar sind die Zeiten der wilden Exzesse, Hotelzimmerverwüstungen, Drogeneskapaden und medial beachteten Groupie-Ausschweifungen lange vorbei (Guns’n’Roses zehren heute noch davon) und auch die Ikonen von damals sind mittlerweile eher altersmilde, allerdings kann das doch nicht alles gewesen sein? Ist die Welt inzwischen so steif und plump auf Effektivität getrimmt? Wo sind die Gitarrenhelden von heute oder morgen? Was hindert die Leute daran, sich eine alte Gibson um den Hals zu hängen, sich drei Freunde zu schnappen und der Gesellschaft einen dicken Mittelfinger zu zeigen und einfach gute Rockmusik zu machen? Ganz einfach: Der Rock ist tot. Alles worauf es ankommt, ist die schwarze Zahl, die unter der Abrechnung herauskommt und da inzwischen auch nur noch ein Bruchteil von nostalgisch veranlagten Puristen physische Tonträger kauft, ist die Zeit des Rocks abgelaufen. Die MP3 hob damals sein Grab aus und das Streaming schlug die Nägel in den Sarg. Auf dem Grabstein des Rocks kann man nunmehr in verwitterten Lettern „In Gedenken an die Zeit, als wir uns noch etwas trauten“ lesen. Sicherlich ist ein Abgesang mit einer so absoluten Ausdrucksweise ein Stück weit übertrieben, skizziert aber letztlich nur die bittere Realität. Wenn sogar ein innovative Gestalt wie Eddie Van Halen in der heutigen Zeit nicht mehr allgemeingültig als diese wahrgenommen und gewürdigt wird, müssen wir uns dem Eskapismus aus buntem Plastik und vergaukelter musikalischer Finesse hingeben und damit leben, dass es niemanden mehr gibt, der Rockmusik noch retten kann.
Doch dann begab es sich, dass eines der größten Musikevents Europas seinen Lauf nahm. Der Eurovision Songcontest oder auch Grand Prix Eurovision de la Chanson fand am 22.05.2021 statt und es war die Überraschung schlechthin. Also nicht, dass es so etwas wie den Eurovision Songcontest überhaupt noch gibt, geschweige denn benötigt, sondern welches musikalische Feld allen die Show stahl. Mit der italienischen Band Måneskin (dänisch = „Mondschein“) und dem Song „Zitti E Buoni“ (Link), einer androgynen bis exzessiven Optik und Performance rockte die Truppe alle anderen Teilnehmer an die Wand, heimste Punkt um Punkt ein und konnte ebenfalls die Jury von sich überzeugen und holte so den Sieg nach Hause. Ein vielleicht durchaus bemerkenswertes Lebenszeichen des Rocks. Ist vielleicht das letzte Wort doch noch nicht gesprochen und uns erwartet in Bälde ein handfestes Revival? In die Zukunft kann wohl niemand schauen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Måneskin im Alleingang das Kunststück vollbringen dem bereits mausetoten Genre die Kraft zu verleihen weitere Atemzüge zu tun, ist verschwindend gering, da schlicht und einfach das Interesse fehlt, unkalkulierbar zu sein, Regeln, Normen und Konventionen zu brechen und auch medial schlechtes Echo abzufangen. Vergleicht einfach folgende Performances miteinander und beantwortet euch anhand der Performance, der Musik, als auch des Formats selbst die Frage, warum man von der Rockmusik inzwischen nicht mehr als lebensferne Zuckungen erwarten kann und weshalb die Nostalgie die einzige Sache ist, die überhaupt noch dafür sorgt, dass die Rockmusik nicht völlig vergessen wird.