Immer wieder wird der einen oder anderen Metal-Band vorgeworfen, zu sehr in den Mainstream abgedriftet zu sein, ob nun von Musikkritikern oder auch den eigenen Fans. Auch ganze Genres können diesem Vorwurf unterliegen. Doch man muss auch immer mal feststellen, dass dieser Vorwurf gerne genutzt wird, um die Authentizität einer Band oder eines Künstlers zu untergraben. Aber woher kommt diese Diskussion eigentlich? Und gibt es diese Grenze zwischen Metal und Mainstream überhaupt noch?

Dass sich der Metal schon immer zum Mainstream hin abgegrenzt hat, ist nichts Neues. Der Sound, das Aussehen, ein gemeinschaftliches Auftreten, welches oft als ‚Subkultur‘ bezeichnet wird – darauf ist man als Metalhead irgendwie stolz und wird auch nicht müde das zu betonen. Aber da gibt es eben auch einen Haufen Künstler, die es geschafft haben, sich eine beachtliche, globale Fanbase aufzubauen, ob nun über Jahrzehnte oder gar wenige Jahre. Sie füllen regelmäßig die größten Hallen und können sich über stabile und hohe Verkaufszahlen freuen. Macht sie das nicht bereits zum Mainstream? Ist man nur wirklich dann ‚metal‘, wenn man in kleinen, abgeranzten Clubs vor 30 Leuten spielt und nur maximal 500 Stück je Album verkauft? Meistens liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, wenngleich es immer Leute gibt, die meinen, die Deutungshochheit zu haben – aus welchen Gründen auch immer.

Die Wurzeln des Metal reichen weit zurück und es wird gestritten, welche Künstler nun als die Pioniere des Genres gelten: Einige gehen so weit, dass sie die Anfänge bei Deep Purple sehen, doch die meisten können sich auf Black Sabbath und Led Zeppelin einigen. Diese Bands haben bereits in ihren Hochzeiten sehr große Erfolge verbuchen können (einige davon kann man bis heute auf den Bühnen dieser Welt bestaunen). Der Übergang zwischen Hard Rock und Heavy Metal ist fließend.
Mit der Musik kam auch ein markanter Modestil. Vorwiegend schwarze oder generell dunkel gehaltene Kleidung, gerne auch aus dem Militärbereich. Und natürlich das wichtigste Kleidungsstück: Die Kutte. Sie ist für den Metalhead das, was der Grünstreifen für den Hund ist. Die Kutte macht für jeden sichtbar, welche Bands man unterstützt und wie viel man in die Szene investiert hat. Außerdem sind lange Haare, egal bei welchem Geschlecht, gern gesehen – ob dies vielleicht eine Reminiszenz an die Hippie-Bewegung ist? Es geht natürlich auch auffälliger, was das Äußere angeht, aber Metalheads fallen trotzdem vergleichsweise weniger auf als Mitglieder anderer Subkulturen.

Doch das Auffälligste ist und bleibt die Musik. Schon seit den 70ern wird man von Nicht-Metalheads oftmals schräg von der Seite angeguckt, wenn irgendwo laut Metal läuft und man dazu abgeht oder einfach in der Nähe rumsteht. Auch heute noch heißt es:
„Das ist ja viel zu laut“
„Diese Musik macht aggressiv“
„Das ist doch alles Satansanbetung“
„Muss das Geschrei sein, da versteht man doch nichts“
„Das hat doch nichts mehr mit Musik zu tun“ usw…
Wenngleich viele dieser Aussagen nervig sind und man nur noch mit den Augen rollt, so ist man als Metalhead auch irgendwo ein bisschen glücklich über diese Ausgrenzung, schließlich ist man gegen den einheitlichen Pop-Brei aus dem Radio und das kopflose Konsumieren von Musik. Doch auf der anderen Seite gibt es riesige Festivals, die massenhaft Leute anziehen (sowohl aus dem Innen- als auch Ausland) und die mittlerweile auch zu einer Attraktion für Außenstehende geworden sind – man schaue sich nur mal die regelmäßige Berichterstattung über das W:O:A an. Klar kann man hier argumentieren, dass es nicht immer um seriöse Nachrichten geht und teilweise ein Freakshow-Unterton bedient wird, aber dennoch wird darüber berichtet. Diese Festivals sind Teil der zeitgenössischen Kultur geworden und somit auch im kollektiven Gedächtnis verankert.

Den Mainstream kann man auch als Mehrheitskonsenz bezeichnen: es ist das, worauf sich die Mehrheit geeinigt hat. Dies kann man an verschiedenen Kriterien festmachen, Verkaufszahlen sind da ein geeigneter Anfang. Und da muss man nicht allzu tief in die Statistiken eintauchen, um zu sehen, dass (einige) Metalbands ebenfalls beachtliche Erfolge aufweisen können. Die Bands, die sich vor allem im Untergrund bewegen, gibt es natürlich weiterhin und sie können auch heutzutage szeneintern einen Kultstatus erreichen.
Wenn man vom sogenannten Untergrund spricht, weiß zumeist jeder, was damit gemeint ist – Bands, die kommerziell jetzt nicht gerade erfolgreich sind, und die aufgrund von (oft subjektiven) spezifischen Aspekten als Aushängeschild der Szene gelten. Doch auch bei diesem Thema gibt es Diskussionen, wie der Begriff ‚Untergrund‘ zu definieren ist. Doch das wäre genug Stoff für einen weiteren Artikel…

Zurück zum pösen Mainstream. Es war die Rede von Verkaufszahlen. Mittlerweile gibt es eine weitere Möglichkeit zu sehen, wie bekannt eine Band heute ist: Social Media Kanäle geben einen guten, wenn auch nicht vollständigen, Einblick in die Anhängerschaft einer Band oder eines Künstlers. Hier ein paar Abonnentenzahlen auf Facebook (Stand 16.09.21):
IRON MAIDEN – 13,5 Millionen
BRING ME THE HORIZON – 5,7 Millionen
SLAYER – 4,8 Millionen
JUDAS PRIEST – 4,3 Millionen
NIGHTWISH – 4 Millionen
AMON AMARTH – 1,5 Millionen
BEHEMOTH – 1,5 Millionen
DIMMU BORGIR – 1,4 Millionen
KING DIAMOND – ca. 753.000
Ich habe bewusst Bands wie Rammstein, HIM oder Evanescence weggelassen, bei denen es andauernde Diskussionen gibt, ob sie nun zum Genre dazugehören oder nicht, auch wenn die meisten Hörer einige dieser debattierten Bands in ihren Playlisten haben.
Rein an den Follower-Zahlen gemessen kann man hier durchaus von Mainstream sprechen und einigen Szenemitgliedern stößt es sauer auf, wenn eine Band an Fans dazugewinnt, weil es ja quasi bedeutet, dass die Musik viel zu eingängig ist, um die Mehrheit an potentiellen Hörern eher abzustoßen als anzuziehen.

Und da sind wir auch schon beim Kernaspekt, der am meisten für Zündstoff in der Mainstream-Diskussion sorgt: Die Eingängigkeit der Musik. Sobald ein Musikstück hohes Ohrwurmpotential hat, ist es doch eigentlich schon Popmusik, oder? Metal ist laut und brutal und nichts für schwache Nerven. Aber wenn man dieses Argument von „Normies“ vor den Latz gehauen bekommt, so wird zurückgerudert und von der Diversität innerhalb des Genres gesprochen und man solle ja nicht pauschalisieren.
Ja also was denn jetzt? Metalfans dürfen Metal kritisieren und für zu eingängig befinden, Popmusik-Hörer dürfen aber nicht sagen, dass ihnen die Musik zu monoton vorkommt? Weil sie ja keine Ahnung haben? Mag sein.
Zurück zur Eingängigkeit. Man kann schon argumentieren, dass es einfacher ist, sich beim Songschreiben an wohlklingenden Akkorden zu orientieren, anstatt sich für jedes Lied komplizierte Melodien und Rhythmussektionen auszudenken. Eine gute Hook zu schreiben ist auch nicht unbedingt leicht. Und nur weil ein Song aus vier Akkorden (oder weniger) besteht, heißt es nicht, dass er schlecht ist – siehe „Fear of the Dark“ von Iron Maiden, „Paranoid“ von Black Sabbath oder „Black Widow“ von Children of Bodom…
Immer wieder sehen sich Bands, die von einem zunächst recht originellen zu einem vermeintlich massentauglicheren Sound übergehen, dem Vorwurf des Ausverkaufs und der Anbiederung an den Mainstream ausgesetzt. In so einem Fall wird oft objektive Qualität mit dem individuellen Musikgeschmack gleichgesetzt, obwohl diese Aspekte erstmal nichts miteinander zu tun haben. Dass eine Band sich mit der Zeit weiterentwickelt, weil sich auch die Mitglieder individuell weiterentwickeln, wird völlig außer Acht gelassen bzw. nicht akzeptiert, weil das Image, das man von der Band in seinem Kopf hat, so festzementiert ist, dass die kleinste Abweichung davon als Affront gesehen wird.

Doch wir sind nun im Jahr 2021 angekommen, in dem sich Metal und Mainstream 50 Jahre nach der Entstehung des Heavy Metal nicht mehr ausschließen. Das Genre als Begriff, sowie an sich, ist in der Massenkultur angekommen. Es ist zu einem globalen Phänomen geworden, sodass der Begriff des ‚Mainstream‘ in dem Zusammenhang eher obsolet geworden ist. Doch kaum ein Genre bewegt sich so leichtfüßig zwischen den Welten wie Metal. Auch wenn es (noch) die Bands gibt, zu denen massenweise Leute zu einem Stadionkonzert pilgern, gibt es auch weiterhin das andere Extrem: Das geheime Exklusivkonzert in einem Club im Nirgendwo. Und beides wird zelebriert und hat seine eigenen Reize. Bei weltweit zu findenden Fans ist es kein Wunder, dass es einige Bands geschafft haben, ganz groß rauszukommen. Trotzdem herrscht immer noch eine klare Teilung zwischen dem 08/15-Radiohörer und dem Metalhead, von daher kann man als letzterer ruhig schlafen, in dem Wissen, dass der eigene Musikgeschmack sich immer noch weit genug vom klassischen Pop-Hörer abgrenzt. Sollte man sich dabei erwischen, dass man mal doch ein vergleichsweise eingängiges Lied mag, wird man sich nicht plötzlich wie bei einer Sailor Moon Verwandlung im Nachhinein in einer trendigen Ausstattung aus H&M Klamotten wiederfinden. Und die Leute, die bereits darin rumlaufen UND Metal hören, haben es sowieso verstanden: Hört die Musik, die ihr mögt und kleidet euch, wie ihr wollt. Trve sein ist überflüssig.