CRAIL-CoverGenre: Hardcore / Groove Metal
Label: Eigenproduktion
Veröffentlichung: 2018
Bewertung: Klasse (8/10)

Facebook

Dass Musikmachen nicht immer nur coole Gigs in ausverkauften Hallen und Musizieren im eigenen Palast ist, sondern auch jede Menge harte Arbeit und Rückschläge jeglicher Art bereithält, davon wissen die bayrischen CRAIL sicher ein Lied zu singen – oder auch mehrere. Obwohl es die Band bereits seit 2012 gibt, ist „Chapter I: Rise“ ihr erster Longplayer, der zwar schon 2018 erschienen ist, aber immer noch nicht im Regal verstaubt ist. Die Olchinger haben sich vor allem ehrlichen Metal auf die Fahnen geschrieben, der von harter Arbeit zeugt, was sich auch in den Songtexten niederschlägt, in denen auch das wahre Leben auf dem Prüfstand steht. Im Moment formiert sich die Band nach Ausstieg ihres Schlagzeugers Dom neu und startet in Kürze bereits die Arbeit an einem neuen Album.

Zunächst einmal muss ich sagen, dass das vermutlich die erste Platte ist, bei der ich meine Lautstärke gewaltig runterregeln musste, damit meine Trommelfelle nicht als Konfetti aus meinem Gehörgang rieseln – womit sich die Frage nach der Produktion auch schon erledigt hat: trotz Eigenproduktion kommt hier ein recht sauberer Sound auf den Teller. Der erste Song „Buried Alive“ präsentiert sich ausgewogen, groovige Rhythmus-Gitarren, nicht allzu frickelige, aber melodiöse Leadgitarren, ein den Takt vorgebendes Schlagzeug und lockere, nicht zu tiefe Growls, die die Melodie vorantreiben. Die Lyrics sind völlig unverschlüsselt, nach dem Thema muss definitiv nicht gefragt werden. Hier gibt’s de facto keinen überflüssigen Schnickschnack, die Songstrukturen sind fraglos ausgefeilt. Stilistisch bewegt sich die Band im gemäßigten Hardcore-Bereich, aber old school, nicht Teenie-Kids-mit-Tunnels-und-tätowiert-über-beide-Ohren-Style, sondern eher die Sick of it All oder Agnostic Front-Fraktion.

Der zweite Song macht seinem Titel alle Ehre, „Neckbreaker“ animiert vor allem im Refrainteil zum Headbangen und erinnert textlich natürlich an Clawfinger: „You sucker!“. Könnt ich stundenlang brüllen. „Rise“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, zeigt aber im Refrain einen gemäßigteren Teil sowie ein Gitarrensolo, das definitiv nicht aufgesetzt oder gezwungen klingt und in Richtung Metal ausschlägt, während die Strophe in tieferen Gefilden vor sich hinknattert und gemäßigte Breakdowns bietet. Bei „Inferno“ finden sich textliche Anleihen zu Dantes „Inferno“ – wer das nicht kennt, hat vielleicht den Roman von Dan Brown gelesen, in dem ein Mittel zur Reduktion der Menschheit freigesetzt wird –, der erste Teil seiner Göttlichen Komödie. Hier wird das Höllenloch ins Detail beschrieben mit all seinen Büßern und Sündern. Im Song werden dagegen die menschlichen Verfehlungen zu Lebzeiten angeprangert, von religiösem Fanatismus bis zur Fremdbestimmtheit der Menschen. CRAIL zeigen hier, dass sie sich mit sozialen Problemen auseinandersetzen. Musikalisch knallt das Ganze natürlich ebenfalls, vor allem der Titel kann schön im Refrain mitgegrölt werden. „Ground Zero“ drückt vor allem im Refrain wieder mächtig auf die Tube, die sprachliche Gestaltung erinnert mich wieder an f***ing Clawfinger. Mittendrin findet sich ein Militär-Getrommel Intermezzo. Zudem ist dies einer von nur drei Songs, die gerade einmal dreieinhalb Minuten lang sind im Vergleich zu den anderen meist fünfminütigen Songs.

„Down“ setzt sich durch das frische und harmonischere Eingangsriff etwas von den vorherigen Songs ab und schafft eine gemäßigtere und bedachtere Atmosphäre. Dies mündet dann in eine breakige, sprechgesangige Strophe mit einem kurzen Refrain, bevor es in die üblichen groovigen Soundlandschaften fließt. Die Weiterführung des metallischen Eingangsriffs in Ausführlichkeit hätte mir hier tatsächlich besser gefallen als die corige Nackenbrecher Variante. Durch die vielen verschiedenen Teile wirkt der Song etwas unzusammenhängend, was gar nicht nötig wäre, für meine Geschmack hätte man ruhig auf dem Eingangsriff rumreiten können.

„Napalm Attack“ dagegen groovt wieder schön ohne zu viel Rhythmuswechsel und nur wenigen Breaks, die ein Luftholen vor den (maßvollen) Blastbeats simulieren. In dem Song darf sich übrigens der Basser einem klitzekleinen Solopart widmen und sich in den Vordergrund spielen. Hier fällt wieder auf, dass die Bassdrum recht wolldeckig-dumpf in den Hintergrund gemischt wurde, so dass diese sich mit dem Bass einen Platz auf dem Trommelfell teilt.

Auf „Strong In Life“ begibt sich Sänger Nagel in höhere und melodiösere Gefilde, was dem Refrain ganz gut steht und für Abwechslung sorgt. Der Song wird dadurch rockiger und weniger metallisch/corig. „Roadkill“ groovt dagegen bereits zu Beginn mit tiefen Gitarren und einem brummigen Bass, während Schlagzeuger Dom vor allem die Snare-Drum bearbeitet. Der Track konzentriert sich vor allem auf ein Riff, das immer wieder auftaucht und recht punkig daherkommt, was durch den Sprechgesang unterstützt wird, der sich rhythmisch an der Bass- und der Drumline orientiert. „Revenge“ groovt dagegen wieder etwas mehr, wenngleich es zunächst auch im Punk-Bereich bleibt. Hier kotzt Sänger Nagel jede Menge Wut und Ärger raus, nicht nur textlich, sondern auch was die Lungenflügel hergeben.

Den Titel des letzten Songs „484“ kann ich euch leider nicht erklären, es scheint nämlich ein echter Insider zu sein – so dass ich jetzt natürlich um so mehr wissen will, was das heißen soll (um nicht zu sagen, wollte ich nichts jemals mehr wissen), Fakt ist aber, dass es darum geht, dass das Leben ein ständiger Kampf und eine permanente Weiterentwicklung ist, denn Stillstand ist der Tod. In diesem Sinne werfen die Südbayern noch einmal alles in den Track, der zum Schluss gut knallt und einen Refrain zum Mitnicken präsentiert.

Insgesamt punktet die Band vor allem in ihren metallischen Momenten, wenn schöne Gitarrenläufe und kräftige Growls dominieren. Die punkigen und breakigen Teile sind nicht meins, aber das ist wie immer Geschmackssache. Die Produktion ist fett und trotz der Lautstärke nicht drüber. Den eigenen Stil und jede Menge Kreativität kann man der Band absolut nicht absprechen. Man kann nur hoffen, dass das Quintett ihre soziale Message so oft als möglich an den Mann und die Frau bringt und jedem einen Denkanstoß mitgeben kann, damit die Welt nicht noch beschissener wird.